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Titel: Sie sehen dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Coben
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verlor für einen kurzen Moment die Nerven, worauf sich im Leben eines Mädchens alles veränderte. Völlig verrückt, wenn man darüber nachdachte. Aber Mike dachte auch sofort an Adam.
    War seinem Sohn etwas Ähnliches passiert? War etwas vorgefallen, vielleicht nur eine Kleinigkeit, die Adams Leben verändert hatte?
    Mike musste an die Zeitreisefilme denken, in denen jemand irgendetwas in der Vergangenheit veränderte, worauf sich die Zukunft durch den Dominoeffekt vollkommen anders entwickelte. Wäre alles wieder wie vorher, wenn Guy zurück in die Vergangenheit reisen und Yasmin diesen Tag nicht zur Schule schicken würde? Wäre Yasmin glücklicher  – oder brachten der erzwungene Umzug und die Lektion, die sie über die Grausamkeit der Menschen gelernt hatte, sie am Ende doch weiter?
    Wer zum Teufel sollte das wissen?
    Als Mike zum Haus zurückkam, war es immer noch leer. Keine Spur von Adam. Er hatte auch keine Nachricht hinterlassen.
    Mike dachte immer noch an Yasmin, als er in die Küche ging. Sein Zettel lag unberührt auf dem Küchentisch. Am Kühlschrank hingen jede Menge Fotos in Magnetrahmen ordentlich nebeneinander. Mike entdeckte eins von Adam und ihm aus dem letzten Jahr, als sie zum Six-Flags-Great-Adventure -Freizeitpark gefahren waren. Eigentlich hatte Mike Angst vor großen Achterbahnen, aber irgendwie hatte sein Sohn ihn dann doch überredet, in eine einzusteigen, die den passenden Beinamen The Chiller trug. Ihm war wirklich eiskalt geworden. Es war ein tolles Gefühl gewesen.
    Nach dem Aussteigen hatten sie für ein albernes Foto mit einem Kerl im Batman-Kostüm posiert. Mit vom Fahrtwind zerzausten Haaren hatten sie Batman die Arme um die Schultern gelegt und grinsten dämlich in die Kamera.
    Das war erst letzten Sommer gewesen.

    Mike erinnerte sich wieder daran, wie er mit rasendem Herzen in der Achterbahn gesessen und auf den Start gewartet hatte. Er hatte Adam angesehen, der ihn angegrinst und »gut festhalten« gesagt hatte, und da, in diesem Moment, hatte ein Flashback ihn über zehn Jahre in die Vergangenheit getragen, als sie mit dem vierjährigen Adam im gleichen Freizeitpark waren und am Eingang zur Stuntmen-Show dichtes Gedränge herrschte, worauf Mike die Hand seines Sohns genommen und »gut festhalten« gesagt hatte, und die kleinen Finger sich pflichtbewusst an seine Hand klammerten. Im immer dichter werdenden Gedränge waren die kleinen Finger dann aber von seiner Hand abgerutscht, und Mike hatte schreckliche Panik erfasst  – so als ob eine riesige Welle sein Baby vom Strand ins Meer gerissen hätte. Sie waren höchstens zehn Sekunden lang getrennt gewesen, trotzdem würde Mike den Schock und den Schrecken, die er in diesem kurzen Moment durchlebt hatte, sein Leben lang nicht vergessen.
    Mike starrte gut eine Minute lang in die Luft. Dann zog er wieder sein Handy aus der Tasche und wählte Adams Nummer.
    »Ruf mich bitte zu Hause an, Adam. Ich mache mir Sorgen um dich. Ganz egal, was auch passiert, ich bin immer auf deiner Seite. Ich liebe dich. Also ruf an, okay?«
    Er legte auf und wartete.

    Als Adam die letzte Nachricht von seinem Vater abhörte, fing er beinahe an zu weinen.
    Er überlegte, ob er zurückrufen sollte. Er dachte darüber nach, ob er seinen Vater anrufen und ihm sagen sollte, wo er ihn abholen konnte. Dann konnte er mit ihm und Onkel Mo zum Rangers-Spiel gehen, wo Adam dann vielleicht alles erzählen würde. Adam hatte das Handy noch in der Hand. Die Nummer seines Vaters war im Kurzwahlspeicher eins. Sein Finger lag auf der Taste. Er brauchte nur noch zu drücken.

    Hinter ihm sagte eine Stimme: »Adam?«
    Er nahm den Finger weg.
    »Komm, lass uns gehen.«

11
    Betsy Hill beobachtete, wie ihr Mann Ron seinen Audi in die Garage fuhr. Er war immer noch sehr attraktiv. Das Grau dominierte zwar inzwischen die vormals dunklen Haare, aber er hatte nur wenige Falten im Gesicht, und die blauen Augen, die denen seines toten Sohns so ähnlich sahen, leuchteten immer noch. Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen war es ihm gelungen, sein Gewicht zu halten, indem er ausreichend Sport getrieben und auf seine Ernährung geachtet hatte.
    Das Foto, das sie von der MySpace-Internetseite ausgedruckt hatte, lag vor ihr auf dem Tisch. Sie überlegte schon seit mehr als einer Stunde, was sie tun sollte. Sie hatte die Zwillinge zu ihrer Schwester gebracht. Für ein solches Gespräch wollte sie die beiden nicht zu Hause haben.
    Sie hörte, wie die Durchgangstür von der

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