Sie sind mein Glücksstern, Georgina (German Edition)
London weiter führen.”
Mr Bowlby rieb sich die fetten Hände. In der Manier des Weisen, der den Dummen aufklären will, riet er: “Sir, das wird Ihnen nur Unannehmlichkeiten bereiten, wenn Sie in Netherton Ihren ständigen Wohnsitz haben. Klüger wäre es, Ihr Konto hierher zu transferieren. Wir haben einen ausgezeichneten Ruf.”
Irgendwie konnte Jesmond diesen Bankier nicht leiden. Es war nur ein Gefühl, aber die vielen Jahre der Zusammenarbeit mit Ben Wolfe hatten ihn gelehrt, seiner ersten Eingebung zu vertrauen. Dennoch ließ er sich nichts anmerken. Im Gegenteil – er versprühte seinen Charme, für den er in Londoner Kreisen bekannt war. “Da ich mich noch nicht endgültig entschlossen habe, ob ich Netherton zu meinem ständigen Domizil mache, halte ich es für klüger, fürs Erste meine gegenwärtigen Bankverbindungen beizubehalten. Sicherlich werden Sie gerne auch ein kleines Konto für mich führen.”
Die wahre Höhe seines Vermögens brauchte dieser Mann nicht zu erfahren. Mr Bowlby musste sich das Vertrauen eines Jesmond Fitzroy erst erarbeiten, denn der hatte längst gelernt, dass in der Welt der Geschäfte und Banken durchaus nicht alles Gold war, was glänzte.
“Aber gewiss, Sir. Kein Konto ist zu klein. Ich wollte Ihnen nur behilflich sein. Das Bankgeschäft ist ein schwieriges Geschäft, und Gentlemen finden sich oftmals nicht so leicht zurecht.” Durchaus verständlich, wenn man Ihnen glaubt, war Jesmonds stiller Kommentar, während Mr Bowlby sich erkundigte: “Gibt es sonst noch etwas, das ich für Sie tun kann?”
“In der Tat”, erwiderte Jesmond süffisant. “Könnten Sie mir sagen, wo Mr Crane sein Büro hat?”
“Aber selbstverständlich, Sir.” Mr Bowlby erhob sich und geleitete Mr Fitzroy vor die Bank, wo er ihm zuvorkommend den Weg zeigte. Jesmond verbeugte sich, dankte und ging die wenigen Schritte zu Mr Cranes Kanzlei.
Dort erwartete ihn eine Überraschung.
Die Überraschung war nicht Mr Crane, der im Gegensatz zu dem poltrigen, geschäftstüchtigen Mr Bowlby ein honoriger ältlicher Gentleman war. Auch die Kanzlei war zurückhaltend vornehm, an den Wänden hingen keine protzigen Ölgemälde, sondern schlichte Landschaftsaquarelle. Nein, die Überraschung bestand aus Mr Cranes Auskunft über die Höhe der Erbschaft.
“Leider habe ich Sie falsch informiert, Sir. Als ich Miss Jesmonds Finanzen näher analysierte, musste ich feststellen, dass das Gut weniger als die Hälfte dessen wert ist, was ich Ihnen in meinem Brief andeutete. Wie es scheint, hat sie unkluge Investitionen getätigt, gewinnbringende Aktien gegen schlechte eingetauscht. Ich habe mit Mr Bowlby darüber gesprochen, und er versicherte mir, dass sie gegen seinen ausdrücklichen Rat gehandelt habe. Sie hatte wohl einen befreundeten Ratgeber in London. Sie musste sich sogar Geld borgen und deponierte ihre Besitzurkunden als Sicherheit bei der Bank. Zur Rückzahlung des Kredits hat sie einen Teil ihres Landes an die Bank veräußert.”
“Aber Mr Bowlby hielt die Urkunden weiter zurück”, sagte Jesmond nachdenklich.
“Nun, sie hat Mr Bowlby vertraut. Und ich wollte Miss Jesmond nicht drängen.”
“Ja, verständlich”, sagte Jesmond, obwohl er durchaus nicht überzeugt war.
“Sir, Ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich Sie nicht absichtlich über die Höhe der Erbschaft getäuscht habe. Ich wusste wirklich nicht, dass es um Miss Jesmonds Vermögenslage so schlecht stand. Hoffentlich haben Sie nun nicht schon voreilige Entscheidungen getroffen.”
“Nein, durchaus nicht.” Das Vermögen seiner Tante hatte Jesmond als ein Aufgeld betrachtet. Mehr war er an dem Haus interessiert, und darauf hatte die Bank keine Ansprüche mehr. Es irritierte Jesmond nur, dass Bowlby von alledem nichts erwähnt hatte. Welchen Vorteil konnte dem Bankier das Einbehalten der Besitzurkunden bringen? Wieso hatte Bowlby selbst das Land erworben? War die Transaktion etwa nicht durch die Bücher gelaufen? Einer, der glaubte, dass Jesmond Fitzroy von Geldgeschäften keine Ahnung habe – speiste der ihn vielleicht auch nur mit der halben Wahrheit ab?
Während Jesmond diese Überlegungen anstellte, fuhr Mr Crane unbeirrt fort: “Sie müssen noch die Überschreibungsdokumente unterzeichnen, Mr Fitzroy. Danach bleibt es Ihnen überlassen, ob meine Kanzlei Sie wie ehemals Miss Jesmond vertreten soll.”
“Vorerst ja”, erwiderte Jesmond höflich. “Natürlich nur für meine Geschäfte in Netherton, in London
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