Sie und Allan
ein Urteil bilden kann?«
»Gewiß«, antwortete ich, »doch unter einer Bedingung: das, was die Ohren hören, wird das Herz für sich allein behalten.«
Umslopogaas legte seine Hand auf die breite Schneide der Waffe, die an seinem Knie lehnte, und sagte: »Ich schwöre es bei der Axt. Wenn ich diesen Eid breche, soll die Axt mich vernichten.«
Dann erzählte ich ihm die Geschichte, so wie ich sie hier bereits niedergeschrieben habe, und dachte mir dabei, daß er wohl wenig davon verstehen würde, da er ja nur ein wilder afrikanischer Krieger war. Wie es sich jedoch herausstellte, erlag ich da einem gewaltigen Irrtum, denn er schien eine ganze Menge zu verstehen, vielleicht weil so primitive Naturen in weit engerer Berührung mit übersinnlichen und geheimen Dingen stehen, als wir Europäer uns das vorstellen können – und vielleicht auch aus anderen Gründen, mit denen ich erst viel später vertraut werden sollte.
»So steht es also«, sagte er, als ich geendet hatte, »oder so sehe ich es zumindest: du, Macumazahn, suchst bestimmte Frauen, die tot sind, um zu erfahren, ob sie noch leben oder wirklich tot sind, doch ist es dir bisher nicht gelungen, sie zu finden. Noch immer auf der Suche, hast du den Rat Zikalis, des Öffners von Straßen, eingeholt, von ihm, der neben anderen Titeln auch das ›Haus von Geistern‹ genannt wird. Er antwortete dir, daß er dein Herz nicht zufriedenstellen könne, weil dieser Baum zu hoch sei, als daß er ihn erklettern könne, daß jedoch weit im Norden eine gewisse weiße Hexe lebe, deren Macht größer sei als die seine, und die auf die Spitze eines jeden Baumes fliegen könne, und er forderte dich auf, zu jener Hexe zu reisen. Habe ich die Geschichte soweit richtig verstanden?«
Ich sagte ihm, daß dem so sei.
»Gut! Anschließend wählte Zikali dir die Gefährten für diese Reise aus, und es waren nur zwei, abgesehen von den Bewachern und den Dienern. Ich, Umslopogaas, genannt Bulalio, der Schlächter, und auch der Specht, war einer der beiden, und dieser kleine gelbe Affe von einem Mann, den ich heute bei dir sah und der Hans heißt, war der andere. Deshalb hast du Zikali, den Zauberer aller Zauberer, beleidigt, als du beschlossen hast, mich, Umslopogaas, nicht aufzusuchen, und nicht nach Norden zu reisen, um die große weiße Königin zu finden, von der er dir berichtete, sondern statt dessen nach Natal zurückzukehren. Ist es so?«
Ich sagte ihm, daß dem so sei.
»Dann fiel der Regen, und der Wind wehte, und die Flüsse traten über ihre Ufer, so daß du nicht nach Natal zurückkehren konntest, und so kam es, daß du durch einen Zufall, oder durch das Schicksal, oder durch den Willen Zikalis, des Zauberers der Zauberer, dennoch hierhergetrieben wurdest, in den Kraal Umslopogaas', und mir diese Geschichte erzählt hast.«
»So ist es«, antwortete ich.
»Nun gut, weißer Mann, doch woher soll ich wissen, daß all dies nichts anderes ist als eine Falle für meine Füße, die ohnehin schon Stricke zwischen ihren Zehen zu fühlen scheinen? Was für ein Zeichen bringst du, Wächter der Nacht? Wie kann ich wissen, daß der Öffner von Straßen mir wirklich diese Botschaft gesandt hat, die mir auf eine so seltsame Weise von einem zugestellt wurde, der auf einem anderen Pfad reisen wollte? Der wandernde Medizinmann sagte mir, daß der, welcher zu mir kommen würde, ein Zeichen bei sich tragen würde.«
»Ich kann dir das nicht sagen«, antwortete ich, »zumindest nicht in Worten. Aber ...«, setzte ich nach kurzem Überlegen hinzu, »da du mich auch nach einem Zeichen fragst, so vermag ich dir vielleicht etwas zu zeigen, das deinem Herzen den Beweis liefern kann. Falls es hier einen sicheren Ort gibt ...«
Umslopogaas trat zum Tor des Zauns und überzeugte sich, daß der Posten dort Wache hielt. Dann ging er um die Hütte herum, warf auch einen Blick auf das Dach und murmelte, als er zu mir zurückkam: »Einmal bin ich auf solche Art übertölpelt worden. Damals lebte eine gewisse Frau in diesem Kraal, die ihr Ohr an das Rauchloch hielt und so den Tod von vielen herbeiführte, darunter ihren eigenen und den unserer Kinder. Tritt ein! Es ist alles sicher. Doch wenn du sprichst, sprich leise.«
Also traten wir in die Hütte und nahmen unsere Hocker mit uns. Wir setzten uns an das Feuer, das dort brannte, und in das Umslopogaas ein paar Scheite harzigen Holzes warf.
»Jetzt«, sagte er dann.
Ich öffnete mein Hemd und zeigte ihm im hellen Licht der Flammen das Abbild
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