Sie und Allan
Und jetzt habe ich viel zu viel gesagt, da Sie doch ein Fremder für mich sind, und doch habe ich aus irgendeinem Grund das Gefühl, daß Sie mein Vertrauen nicht mißbrauchen werden, ja sogar, daß Sie mir helfen werden, wenn Sie es können, da Sie nicht zu jenen gehören, die trinken, oder ...« – sie deutete mit einer vagen Geste auf die Hütten.
»Ich habe auch meine Fehler, Miß Inez«, antwortete ich.
»Sicher, denn sonst wären Sie ja ein Heiliger, und kein Mann, und selbst die Heiligen haben ihre Fehler, wenn ich mich recht erinnere, und wurden zu Heiligen, indem sie Buße taten und ihre Fehler bekämpften. Trotzdem: Ich weiß, daß Sie mir helfen werden, wenn es Ihnen möglich ist.«
Und dann, mit einem plötzlichen Aufblitzen ihrer schwarzen Augen, das beredter war als alle Worte, wandte sie sich um und ging ins Haus.
Das ist ja eine schöne Geschichte, dachte ich, während ich zum Wagen zurückging, um zu sehen, wie die Dinge dort standen, und wie die Geschichte zu einem glücklichen Ende gebracht werden sollte, war mehr, als ich sagen konnte. Ich fragte mich, warum das Schicksal ausgerechnet mir immer solche Aufgaben zuweist.
Doch während mir diese Gedanken durch den Kopf gingen, schien eine Stimme in meinem Herzen die Worte dieses armen Mädchens zu wiederholen: ›weil es meine Pflicht ist‹ – und Gott möge den strafen, der seine Pflicht verletzt. Ich war jetzt dazu ausersehen, ein paar Sätze der Lösung dieser komplizierten Verwirrung menschlicher Tragödien zu schreiben, mußte es zumindest versuchen. Wenngleich es jenseits meiner Möglichkeiten zu liegen schien. Doch vielleicht würde das Schicksal mir helfen, sagte ich mir. Und tatsächlich tat es das Schicksal schließlich auch – falls ›Schicksal‹ in diesem Zusammenhang das richtige Wort ist.
6
Die Flußpferdjagd
Ich hatte die Absicht, sofort den Fluß zu überqueren, doch in diesem Fall war das Glück, oder unser alter Freund, das Schicksal, gegen mich. Als erstes wurden einige von Umslopogaas' Leuten krank, bekamen Magenbeschwerden, zweifellos von etwas, das sie gegessen hatten. Sie jedoch sahen darin nicht den Grund dafür, und auch Umslopogaas nicht. Einer dieser Männer, der Goroko hieß und sich nebenher als Medizinmann betätigte, war natürlich überzeugt, daß ein Zauberbann auf sie herabbeschworen worden sei, denn diese Leute sehen in allem Magie und Hexerei. Deshalb organisierte er ein ›Geister-Schnüffeln‹, bei dem Umslopogaas, der genauso abergläubisch war wie alle anderen, ihm assistierte. Und das tat auch Hans, obwohl er sich Christ nannte, einmal aus reiner Neugier – denn er war neugierig wie eine Elster – und dann aus Angst, daß während seiner Abwesenheit irgendein Hinweis gefunden werden mochte, der ihn belastete. Ich sah mir die Sache aus einiger Entfernung an, da ich es für richtig hielt, ein Auge auf die Vorgänge zu haben, für den Fall, daß irgend etwas Unvorhergesehenes passieren sollte. Ich saß mit Miß Inez zusammen, die so etwas noch nie gesehen hatte.
Zunächst wurde der übliche Kreis gebildet. Dann trat Goroko, ausstaffiert mit dem besten Medizinmannkostüm, das er mit den zur Verfügung stehenden Mitteln improvisieren konnte, in die Mitte des Kreises, kam prompt unter den Einfluß seines ›Geistes‹, sprang wild umher, wedelte mit dem Schwanz eines Wildebeest {*} , und so weiter. Schließlich brach er zu meinem Entsetzen aus dem Kreis aus, lief auf eine Gruppe von Menschen aus dem Dorf zu, die gekommen waren, um sich das Spektakel anzusehen, trat vor Thomaso, der überheblich und verächtlich grinsend unter ihnen stand, schlug ihm den Schwanz ins Gesicht und schrie, daß er der Zauberer sei, der die Eingeweide der kranken Männer vergiftet habe. Woraufhin Thomaso, der zwar sehr aufsässig sein konnte, jedoch wie die meisten Mischlinge nicht besonders mutig war, angesichts der Aufregung, die diese Verkündung unter den finster wirkenden Zulus hervorrief Angst bekam, wie ein Hase davonrannte. Niemand folgte ihm.
Danach, als ich gerade glaubte, daß alles überstanden sei und es an der Zeit wäre, ein paar ernste Worte mit Umslopogaas zu sprechen und ihm zu sagen, daß er es mit Thomaso, den er und seine Leute haßten, wie ich wußte, nicht zu weit treiben solle, trat Goroko wieder in den Kreis und wurde von einem neuen accès der Inspiration gepackt. Er warf seinen Gnu-Wedel zu Boden, hob beide Arme über den Kopf und starrte zum Himmel empor. Dann begann er mit lauter
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