Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen
fliegen, nicht vernünftig laufen, nicht singen, nicht tanzen
– und was tun sie, um sich das Weibchen geneigt zu machen? Sie schleppen kleine Steinchen heran, die dann dem Nestbau dienen könnten, und legen sie dem Weibchen zu Füßen. Auch dazu fällt mir wieder Goethe ein: »Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erhören.«
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Alle Kunst ist Sexwerben, diese These steht in diametralem Gegensatz zu Freuds These: Voraussetzung aller Kultur ist Triebverzicht.
Was heißt das überhaupt? Nun, ich lerne meine Triebe zu unterdrücken, sublimiere sie besser gesagt und erhalte als Gegenlei-stung etwas Höherwertiges. Ein Beispiel.
Ich unterdrücke meinen Wunsch nach auf-regendem, abwechslungsreichem Sexleben und erhalte dafür die Ehe. Vielleicht habe ich Freud auch falsch verstanden.
Ich werde sehr oft gefragt, warum ich öffentlich bunte Hemden trage. Ich wusste es selber nicht, bis ich kürzlich Folgendes in der Bild las: Warum sind Fische so bunt?
Klar, es hat was mit Sex zu tun. Schrille Farben locken Sexpartner. Vor Bali beo-bachteten Biologen einen Schwarm Lippfi-sche(!). Plötzlich huschten neonblaue Streifen über die Körper der Männchen. Durch die Lasershow wurden die Weibchen in Leidenschaft versetzt. Sie stiegen mit den Männchen auf und stießen einen Schwall Eier aus, die sich mit dem Sperma der Männchen mischten. Wer nicht tanzen, singen oder malen kann, sich nicht aufreizend zu kleiden weiß oder erkennbar steinreich ist, muss sein Heil in der richtigen Anspra-che suchen, im Baggern, vornehmer: Flirten.
Das ist eines der Worte, für die es im Deutschen keine ähnlich schicke Entsprechung gibt. Langenscheidts Taschenlexikon über-setzt es mit »kokettieren«, weicht also nach Frankreich aus. Anbändeln bringt es irgendwie auch nicht. Gemeint ist jedenfalls: un-121
verbindliche Kontaktaufnahme durch Gesten, Blicke oder Worte, bei Gefallen späterer Geschlechtsverkehr nicht ausgeschlossen. Das Thema ist deshalb so reizvoll, weil es wie kaum ein anderes Comedygold beinhaltet. Es gibt zahllose Anmachsprüche, über die wir lachen, die wir großartig finden, aber in der Realität nie anwenden würden. Die Skala reicht dabei von poetisch über raffiniert bis zu entwaffnend vulgär.
Ich habe immer besonders folgenden ge-mocht: »Tanzen Sie?« – »Nein, danke.« –
»Fein, dann können Sie ja mein Glas halten.« Vermutlich, weil er einem die Abfuhr versüßt, mit der schüchterne Menschen wie ich immer schon rechneten, was in extremen Fällen dazu führt, dass man nur noch wartet, bis das Mädchen den ersten Schritt tut, oder es zugeht wie in einem anderen von mir hochgeschätzten Gag: Ein Mann sitzt in einer Bar. Er möchte eine Frau ansprechen, aber er traut sich nicht. Also trinkt er Alkohol. Nun traut er sich, aber er kann nicht mehr sprechen. Die traurige Rolle des Alkohols in Liebesdingen ist nicht nur ein eigenes Kapitel, sondern eher eine eigene Bi-bliothek wert.
Aber zurück zum Flirten. Als älterer
Mensch müssen Sie Ihrem Alter angemessen vorgehen. Sie können nicht mehr sagen wie noch mit 40: Kann ich heute Nacht bei dir schlafen? Mein Bett ist kaputt. Oder: Falls Sie den Abend durch ein sexuelles Erlebnis krönen möchten, zwischen meinen Beinen wartet Gott auf Sie. Stattdessen sollten Sie auf Romantik setzen.
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Im Urlaub an der See können Sie Folgendes machen: Sie bereiten eine Flaschenpost vor oder auch mehrere – wie heißt der Plural von Flaschenpost? Also mehrere Flaschen mit einem Zettel, auf dem natürlich immer dasselbe steht, Sie schmeißen sie ins Wasser und gucken und wenn eine Frau eine raus-fischt, schleichen Sie sich rasch heimlich und leise von hinten an, denn auf dem Zettel in der Flasche steht: »Drehen Sie sich um, das Glück steht hinter Ihnen.«
Museen sind z. B. sehr geeignete Orte für den Seniorflirter. Wenn eine Frau solo ver-sonnen vor einem Bild steht, kommen Sie von hinten und fangen an, passende Lyrik abzusondern. Zu Caspar David Friedrich passt fast immer Eichendorffs Mondnacht:
»… und meine Seele spannte weit ihre Flü-
gel aus, flog durch die stillen Lande, als flö-
ge sie nach Haus.« Und wenn sie dann an-fängt, leicht nach innen zu schielen, können Sie nachsetzen mit: Sie haben wundervolles Haar, aber es braucht andere Beleuchtung, ich kenne da ein kleines Restaurant. Und dortselbst setzt es dann beim Dessert den Fangschuss: »Ich spiele mit dem Gedanken, Sie als Begünstigte meiner Lebensversiche-rung einzusetzen, wenn
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