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Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Titel: Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen von der Lippe
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Eigenschaften ausgestattet, als da wä-
    ren ausgeprägtes musisches und sprachliches, hingegen null wissenschaftliches Interesse sowie Freude an Handarbeiten – will sagen, als Kind habe ich für meine Freundinnen Puppenmützen gehäkelt, weil ich 129
    mich, warum auch immer, von meiner Mutter in dieser Fertigkeit habe unterrichten lassen. Mit noch größerer Freude habe ich von klein auf ihr, einer gelernten Köchin, täglich bei der Zubereitung des Abendmahls assi-stiert.
    Berufsbedingt mache ich auch mehr Worte als der Durchschnittsmann. Was ich allerdings so gar nicht teile, und da bin ich ganz normal, ist die Angewohnheit meiner und der meisten anderen Frauen, kleine Alltags-begebenheiten, die durchaus nicht ohne Reiz, aber auch nicht mit wirklich viel Aufwühlpotenzial ausgestattet sind, in Echtzeit zu erzählen, gestützt von italienisch anmu-tender Gestik, versteht sich.
    Eine Theorie besagt, dass all die sogenannten typischen weiblichen und männlichen Eigenschaften Resultat einer bestimmten hormonellen Situation im Mutterleib während der spezifischen Phase sind, in der sie zur Ausprägung gelangen. Nehmen wir also einmal an, während der 24. Schwanger-schaftswoche wird darüber entschieden, wie der kleine Embryo sich einmal am Volant bewähren wird. Der – ich nenne ihn jetzt mal Fahr-und-Park-Hormonbehälter – muss jetzt zu mindestens 70% gefüllt sein, damit man als typisch männlich durchgeht. Das ist dann der Theorie zufolge bei Mädchen seltener der Fall als bei Jungs. Bei mir allerdings war er zu 80% leer. Und so war später die Fahrprüfung folgerichtig die mit Ab-stand schwerste Prüfung meines Lebens (wenn man vom Ziehen der Tamponade
    nach meiner Hämorrhoidenoperation einmal 130
    absieht). Und mangels Begabung macht mir Autofahren auch nicht den mindesten Spaß; am ehesten noch in Nordamerika, wo wenigstens kein areligiöser Selbstmordattentä-
    ter von hinten mit 240 Sachen angebrettert kommt und die Straßen auch angenehm breit sind. Eigentlich bin ich – wiewohl nicht im strengen Sinne gläubig, aber hier passt es mir ganz gut in den Kram – der Überzeugung, dass der Schöpfer uns, wenn er gewollt hätte, dass wir uns mit mehr als 25
    km/h über Land bewegen, mit einem ent-sprechenden Düsenantrieb ausgestattet hätte (so wie er uns kürzere Arme gemacht hätte, wenn er wirklich gegen Selbstbefriedigung wäre). Ich konnte schon während meiner aktiven Zeit als Radfahrer, es mögen 6 Monate gewesen sein, nur selten einen Zusammen-stoß vermeiden, wie denn auch, der Mensch kann einfach nicht so schnell reagieren.
    Ich habe auch wenig Verständnis für Sätze wie diesen: »Gestern bin ich in vier Stunden von Köln nach Berlin gefahren, normal sind sechs, da habe ich glatt zwei Stunden gespart!« Toll, und was macht der Depp mit den gesparten zwei Stunden? Nichts, stattdessen erzählt er eine Woche lang jeden Abend drei Stunden von seiner Wahnsinns-fahrt.
    Mein Körper hat mir schon in zartem Alter signalisiert, dass er einen Transport von A nach B im Auto nicht zu tolerieren gedenkt.
    Ich litt unter Reisekrankheit und kotzte nach spätestens 10 Minuten Autofahrt pfeilge-schwind aus dem Fenster bzw. dagegen, wenn die Zeit zum Herunterkurbeln – die 131
    Älteren werden sich noch an diesen vorelek-tronischen Mechanismus erinnern – nicht mehr reichte. Dann gewann ich in einem Malwettbewerb auf dem Gymnasium einen Preis, und zwar die Teilnahme an einer Zo-nengrenzfahrt per Bus. Thema war die Teilung Deutschlands gewesen, ich hatte einen im Stacheldraht hängenden Mann hinge-tuscht, dessen Gesicht Munchs »Schrei«
    nachempfunden war. Die Tatsache, dass die Busreise geschlechterübergreifend war, ließ mich auf meine Reisekrankheit pfeifen. Mit vor präpubertärer Vorlust geblähten Backen und medikamentös gestützt durch Supposi-torien begab ich mich auf einen einwöchigen Leidensweg, an dessen Ende mir die Teilung unseres Vaterlandes restlos wurscht war – schließlich fühlte sich mein Magen mindestens so zerrissen an wie meine Heimat, und bei »Brocken« dachte ich keineswegs an den streng bewachten Gipfel des Harz. Immerhin musste der Bus an den letzten beiden Tagen meinetwegen nur noch alle zwei Stunden halten, aber Kontakt, gar kör-perlichen, zu einer meiner Mitpreisträgerin-nen gab es trotzdem nicht – nicht einmal, als ich aufgewühlt erzählte, ich hätte gerade eines meiner Zäpfchen völlig unversehrt erbrochen.
    Später verschwand die Reisekrankheit auf wundersame Art,

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