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Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen

Titel: Sie und Er Botschaften aus parallelen Universen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen von der Lippe
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aussah.
    Mit dieser Weisheit kann die Erfinderin meiner Zweidrittelmehrheit nicht viel anfangen: Meine Mutter war bei uns zu Besuch, als wir wegen eines dringenden Ter-mins aus dem Haus mussten, und sie ent-schloss sich spontan, mal wieder Grund reinzubringen. Natürlich hatten wir sie längst dahingehend geschärft, unsere
    Schreibtische und vor allem die Computer als vermintes Gelände zu betrachten und dort nichts anzurühren. Hat sie auch nicht.
    Sie hat nur zum Staubsaugen ausgerechnet den Stecker aus der zwölffach belegten Steckerleiste herausgezogen, an dem unser Computer-Netzwerk hing. Das wäre unter normalen Umständen zu verkraften gewesen, denn natürlich sichern wir ständig. Das Problem war nur, dass wir gerade die Systeme aktualisierten. Zwei Partitionen gingen verloren, die gesamte Arbeit von zwei Wochen war schlagartig weg, futsch, als hätten wir sie nie gemacht. Dazu dauerte es drei Tage, bis alles wieder reinstalliert war.
    Kommentar meiner Mutter: Das muss einem ja auch gesagt werden, dass man bei euch nicht an die Steckdosen darf. Ich hab es doch nur gut gemeint. Das haben die Kreuz-ritter damals im heiligen Land auch, Mutter!
    Aber das hab ich nur gedacht.

    145

ER Ordnung
    Es gibt Menschen, die anderen, die nicht willens oder in der Lage sind, Ordnung zu halten, professionelle Hilfe anbieten. Eine solche Dame hatte ich einmal in meiner Talkshow »Wat is?« zu Gast. Sie kam mit der Überzeugung, etwas unbedingt Sinnvolles, Hilfreiches zu tun, und ging, ich will nicht sagen gramgebeugt, aber doch verun-sichert. Später schrieb sie mir, sie habe eine Woche gebraucht, um sich von dem Gespräch zu erholen. Ich will damit nicht sagen, dass es immer Frauen sind, die die von Natur aus unordentlichen Männer zum Aufräumen anhalten. Als ich beim Bund war, gab es dort noch keine Frauen. Ich mache also weder meine Mutter mit ihrem Aufräumfimmel noch meine Grundausbilder für eine etwaige Traumatisierung verantwortlich. Ich bin ein Messie, jemand, der sich von nichts trennen kann und sich im Chaos am wohlsten fühlt. So wie ich nicht unbedingt glaube, dass Menschen, die ihre Hemden und Akten gerne auf Kante legen, ihre anale Phase nicht überwunden haben, lasse ich mir auch nicht einreden, dass ich meine noch gar nicht erreicht habe.
    Ich halte Bestseller wie »Simplify your life«, in denen empfohlen wird, Dinge, die man ein Jahr lang nicht benutzt hat, wegzuwer-fen, für tendenziell jugendgefährdend, weil sie glücksfeindlich sind. Was heißt denn benutzen? Doch nicht nur: damit arbeiten, um das Bruttosozialprodukt zu steigern! Wenn 146
    ich hinter meinem zugemüllten Schreibtisch sitze und den Blick wohlgefällig über zum Bersten vollgepfropfte Regale schweifen lasse, beschließe ich zum Beispiel, ein bisschen auf Entdeckungsreise zu gehen, mache wie zufällig bei der geographischen Abtei-lung Halt, ziehe einen Städteführer von New Orleans heraus, den ich mindestens zehn Jahre nicht mehr »benutzt« habe, blättere darin und verbringe mindestens eine halbe Stunde in meinem inneren Kino mit meinem New-Orleans-Film. Hier ein paar Ausschnit-te: Ich stehe am Mississippi, sehe einen Raddampfer und habe ein waschechtes
    Déjà-vu-Erlebnis, was natürlich auf Tom Sawyer zurückgeht; ich esse mein erstes Al-ligatorwürstchen, die Austern mit der Zwie-belsauce und der Mischung aus Ketchup und Sahnemeerrettich; ich lausche dem alten Cowboy, der in einem Hinterhof der Bour-bonstreet für drei Hausfrauen Jim-Reeves-Titel singt und dabei nur so tut, als ob er Gitarre spielt, in Wirklichkeit tritt er bei jedem Akkordwechsel einen anderen Knopf seines Fußpedals; ich zeige im red light district einer schwarzen Stripperin Kartentricks und lehne ihr Angebot, mit ins Hotel zu kommen, dankend ab, weil ich ja treu bin und irgendwie auch die Vorstellung nicht aus dem Kopf kriege, wie mitten im schönsten Ge-rangel zwei übergewichtige Sheriffs die Zimmertüre einrennen, mich mit ihren Colts voller Dum-Dum-Geschosse bedrohen und brüllen: »Beine auseinander und Hände auf die Minibar!« Dann bin ich wunschlos
    glücklich.
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    Jean Paul hat einmal gesagt: »Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.« Er hätte vielleicht hinzufügen sollen: »Und deshalb sollten wir nie etwas wegschmeißen, mit dem eine schöne Erinnerung verknüpft ist.« Zu-künftige Generationen werden meinen Ein-richtungsstil vielleicht einmal »romantische Ästhetik« nennen, vielleicht auch nicht,

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