Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
Vom Netzwerk:
Land und den Kontinent wechselt, sich erneut verliebt, den Mann, die Wohnung und die Arbeit verlässt, sich wieder verliebt und wieder Wohnung und Arbeit aufgibt, ohne je lange genug zu überlegen, ohne an die Folgen zu denken, ohne sich um die Gefahren zu kümmern: »Bist du mit ihm ins Bett gegangen?«
    »Nein!« Nur zu lebhaft steht Clare die Erinnerung an die Nacht vor Augen: sie und Daniel Deserti im Haus, verwirrt vom Wein und der Nähe, mit den rundherum zirpenden Grillen. All die Blicke kehren zurück, die Bewegungen, die lange Spur tiefer, unklarer Empfindungen.
    »Ihr zwei ganz allein, und da bist nicht mit ihm ins Bett gegangen?« Paula fixiert sie, von Bildschirm zu Bildschirm, die Kaffeetasse in der Hand.
    »Neun!« Clare fühlt sich wie ein in die Enge getriebenes Kind. Denn es hätte ja durchaus passieren können: Seit Tagen gehen ihr alternative Abläufe durch den Kopf. Auch wenn es nicht passiert ist, denkt sie, hat es vielleicht doch etwas zwischen ihnen gegeben, was sich schwer wiedergutmachen lässt.
    »So einer stöbert dich in San Minimo auf und probiert es nicht einmal?«, sagt Paula. »Mach mir nichts vor.«
    »Er ist mich besuchen gekommen. Das ist alles.« Natürlich weiß Clare, dass das nicht stimmt und dass Paula es genauso weiß, doch andererseits ist es ihr noch nicht gelungen, zu den wahren Gründen vorzustoßen, warum er sie besucht hat oder warum sie ihn nicht weggeschickt hat.
    »Und dann?« Paula wartet. »Als ihr in die Stadt zurückgekehrt seid?«
    »Nichts«, sagt Clare. »Er hat mir ein paar sms geschrieben, ich habe aber nicht geantwortet.«
    »Nein?«, sagt Paula. »Gar nicht?«
    »Nur auf die ersten beiden«, sagt Clare. »Dann war Schluss.«
    »Aber was habt ihr denn in San Minimo gemacht?«, fragt Paula.
    »Geredet«, sagt Clare. »Geredet«, wiederholt Paula.
    »Ja. Weißt du, wenn du mühelos über jedes Thema reden kannst, ohne auch nur drüber nachdenken zu müssen? So. Er hat diese Art, Sachen im Nu zu erfassen, unglaublich.«
    »Welche Sachen?« Paulas Gesicht ist immer noch sehr angespannt.
    »Also zum Beispiel meinen Charakter«, sagt Clare. »Wie ich bin, warum ich so bin. Und er schafft es, darüber hinaus zu gehen, zu den Gründen hinter den Gründen, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Mir ist so etwas noch nie passiert, noch dazu mit einem, der mich ja überhaupt nicht kennt. Wir hatten uns nur zweimal gesehen, Paula, einmal war er verletzt, wegen des Unfalls, und das andere Mal haben wir gestritten, dennoch hat er Dinge von mir begriffen, die Stefano bis heute nicht kapiert hat, obwohl wir schon fast drei Jahre zusammen sind.«
    »Das ist eine Technik, Clare«, sagt Paula. »Es gehört zu seinem Job, dass er sich ein bisschen mit Psychologie auskennt und gut mit Wörtern jonglieren kann.«
    »Er hat auch viel von Papa verstanden.« Ihre Stimme verrät ihre Betroffenheit. »Was für ein Typ er war, sein Verhältnis zu dem Haus in San Minimo, sein Verhältnis zu uns.«
    »Clarie.« Paula fixiert sie vom Bildschirm.
    »Er hat Sachen von Alberto verstanden, die nicht einmal ich richtig begriffen hatte«, sagt sie. »Du hättest ihn hören sollen.«
    »Clarie-Pony.« Paulas Ausdruck bleibt unverändert.
    »Es war keine Technik, das schwöre ich dir.« Jetzt klingt ihr Ton wahrscheinlich leicht verzweifelt. »Er ist ein sehr sensibler Mann, Paula. Und er ist kein Egozentriker, wie ich dachte, er spielt sich nicht als großer Schriftsteller auf, sondern spricht kaum von sich.«
    »Vielleicht weil er weiß, dass ihm das nützt«, sagt Paula.
    »Nein, weil er zuhört!«, erwidert Clare. »Er hört dir wirklich zu, wenn du sprichst, und tut nicht bloß so.«
    »Aber er ist trotzdem der verkehrte Mann«, sagt Paula. »Das hast du gesagt, nicht ich.« Ihr Beschützerinstinkt hat zugenommen in den Jahren der häufigen Krisen mit Alberto und dem ständigen Wechsel von Euphorie und Depression, aus dem Clare ihn mit Liebe und Vernunft herausholen wollte, bis sie schließlich selbst mit abstürzte.
    »Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe. Vielleicht, weil er von außen gesehen diesen Eindruck machen kann«, sagt Clare.
    »Oder vielleicht, weil es stimmt«, sagt Paula. »Keine Ahnung«, sagt Clare. »Ich kenne ihn nicht gut genug.«
    »Du kennst ihn gut genug, um zu wissen, dass er der Verkehrte ist.« Paulas Blick wirkt ganz entsetzt, doch vielleicht liegt es auch an dem Licht und der schlechten Auflösungsqualität, es ist schwer zu sagen.
    »Nein, wissen kann ich

Weitere Kostenlose Bücher