Sie und Er
reagieren soll.
»Einverstanden«, sagt er.
Sie schweigen, haben zu viele Gedanken im Kopf, zu viele namenlose Empfindungen, und es ist zu heiß. Außerdem haben sie noch nie eine Nacht zusammen verbracht, sind es nicht gewohnt, einander so nahe zu sein: Einschlafen ist unmöglich.
»Jedenfalls ein Glück, dass wir es seingelassen haben«, sagt er.
»Das, was wir vorher gemacht haben?«, sagt sie.
»Es ist so eine unglaublich dumme Nummer«, sagt er.
»Na ja, nicht immer«, sagt sie.
»Betrachte es doch mal mit ein bisschen Distanz«, sagt er. »Aus ein paar Schritten Abstand. Findest du es dann intelligent? Oder interessant?«
»Das kommt darauf an.« Wieder versteht sie nicht, welches Spiel er spielt; wie die Rollenverteilung aussehen soll.
»Worauf?«, sagt er.
»Ob du nur den mechanischen Teil betrachtest oder nicht«, sagt sie.
»Und was wäre der nicht mechanische Teil?«, fragt er. »Der, den man braucht, um das Ganze irgendwie schmackhaft zu machen?«
»Die Gefühle vielleicht?«, sagt sie. »Die tiefe Verbindung?«
»Ach ja, klar«, sagt er.
»Warum?«, sagt sie. »Glaubst du, das gibt es nicht?«
»Wann denn?«, sagt er. »Mit wem?«
»Mit einem Menschen, den du wirklich liebst?« Ihr Ton ist unsicher, weil sie noch immer nicht die Positionen erkennt, die gegenseitigen Absichten.
»Hast du es je erlebt?«, fragt er.
»Aber sicher«, sagt sie.
»Ach ja?«, sagt er.
»Ja.« Aber sie versucht nicht einmal, sich zu erinnern, wann und mit wem.
»Oder hast du bloß gedacht, du würdest es erleben?«, sagt er. »Weil du es zu gerne glauben wolltest?«
»Ich habe es erlebt«, sagt sie.
»Wie schön für dich«, sagt er. »Und wie lange hat es gedauert? Eine Nacht? Eine Woche? Einen Monat?«
»Das weiß ich nicht«, sagt sie. »Ich habe weder die Stunden noch die Tage gezählt.«
»Also ist es kein permanentes Gefühl?«, sagt er. »Oder zumindest nicht auf Kommando reproduzierbar?«
»Ich weiß nicht, worauf du hinauswillst.« Das Schlimmste ist, dass sie es nicht einmal von sich selbst weiß; falls es überhaupt etwas gibt, das sie anstrebt.
»Wie ist es mit deinem Stefano?«, sagt er. »Habt ihr eine wunderbare, tiefe Verbindung?«
»Ja«, sagt sie, aber sie bemüht sich, nicht genauer darüber nachzudenken.
»Ist er die Verwirklichung all deiner Träume?«, sagt er.
»All dessen, was du dir je ausgemalt hast, was zwischen dir und einem Mann sein könnte?«
»Es ist eine sehr reale Beziehung«, sagt sie. »Eine echte Beziehung.«
»Also etwas ganz anderes als ein Traum«, sagt er.
»Träume interessieren mich nicht«, sagt sie. »Jedenfalls nicht jetzt.«
»Lügnerin«, sagt er. »Dein Kopf ist doch voll von Träumen. Voll.«
»Das ist nicht wahr.« Es klingt erbärmlich nach Rechtfertigung, findet sie.
»Warum bist du denn mit mir hierhergefahren?«, sagt er. »Wenn du nicht von was Besserem geträumt hast als dem, was du hast?«
»Ich habe mich geirrt, okay?« Sie fühlt sich in die Enge getrieben, erstaunt und wütend, dass es so gekommen ist. »Ich war dumm.«
»Wieso dumm?« Seine Neugier wirkt verblüffend echt.
»Ich hätte nicht darauf hereinfallen dürfen«, sagt sie.
»Wir hätten nicht darauf hereinfallen dürfen«, sagt er. »Weder du noch ich.«
Eine Weile schweigen sie; Stechmücken summen ums Bett.
»Und doch sprichst du in deinen Romanen sehr eindrücklich davon«, sagt sie unvermittelt.
»Wovon?«, fragt er.
»Von der Liebe und allem«, sagt sie.
»Ach, nur um gewisse Reaktionen auszulösen«, sagt er.
»Es wirkt aber nicht so, als ob sie kaltblütig geschrieben wären«, sagt sie.
»Was weißt du denn davon?«, sagt er.
»Ich habe zwei gelesen«, sagt sie. »Einen Vor Jahren, und den aus dem Zug. Und außerdem habe ich die Kommentare der Leser auf deiner Facebook-Seite gelesen.«
»Ich habe nichts mit dieser Seite zu tun!«, sagt er auffahrend. »Es ist eine total unautorisierte Initiative von irgendwelchen Unbekannten, ich versuche gerade, sie löschen zu lassen!«
»Jedenfalls«, sagt sie, »bricht in deinen Romanen die Handlung, nachdem sie sich über Seiten hinweg entfaltet hat, immer urplötzlich ab, immer kommt dieses abrupte Ende. Deine Leser müssen jedes Mal bitter enttäuscht sein.«
»Genau«, sagt er. »Wenn ich nicht einmal Liebe und Sex ins Spiel brächte, würde mich überhaupt niemand mehr lesen.«
Wieder schweigen sie, bewegen ab und zu Beine und Arme ein wenig unter dem schweißnassen Laken. Nichts deutet darauf hin, dass die
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