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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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sagt sie.
    »Dann träumen sie nur noch davon, etwas zu haben«, sagt er. »Geld, Frauen, Macht, Autos, Häuser, irgendeine Sammlung von Gegenständen.«
    »Und Schluss?«, sagt sie.
    »Ja«, sagt er. »Sie hören sogar auf, Romane zu lesen, außer Krimis oder verstaubte Klassiker.«
    »Während die Frauen weiterträumen«, sagt sie.
    »Zu meinem Glück, ja«, erwidert er.
    »Aber wieso das Theater?«, sagt sie. »Wieso? Bloß um einen Fortpflanzungspartner abzukriegen? Ist es nur das?«
    »Wenn du der Sache auf den Grund gehst, ja«, sagt er. »Wenn du den ganzen kulturellen und sozialen Überbau weglässt und die Bedingungen in Betracht ziehst, die galten, als wir noch in Höhlen lebten.«
    »Das geht nicht«, sagt sie. »Weil wir ja viel komplizierter sind als damals.«
    »Aber das Grundmuster bleibt dasselbe«, sagt er.
    »Nach dem Motto: Wenn ein Mann eine Frau geschwängert hat, möchte er sofort losziehen und sich die nächste suchen? Der Befruchter, der Millionen von Spermien produziert und möglichst viele Gelegenheiten suchen muss, um seine Gene überall zu verbreiten?«
    »Wenn er ein Alphatier ist, ja«, sagt er.
    »Und wenn nicht?«, sagt sie. »Was ist mit dem nicht dominanten und nicht vom Reproduktionswahn besessenen Mann?«
    »Der interessiert euch nicht, das weißt du genau«, sagt er.
    »Und was ist mit der Frau?«, sagt sie. »Mit ihrem einen, einzigen Ei im Monat gegen Millionen von Spermien? Wenn sie dann schwanger wird, braucht sie neun Monate, um das Kind auszutragen, und dann dauert es noch Jahre, bis das Kind selbständig wird.«
    »Für sie ist es wichtig, dass der Mann bei ihr bleibt.«
    »Und deswegen will sie nicht bloß vögeln, sondern eine Beziehung.« Sie schäumt vor Wut, wenn sie nur daran denkt. »Die arme Irre. Legt sich derart ins Zeug, damit die Geschichte so lang wie möglich dauert.«
    »Gewöhnlich ist es so«, sagt er.
    »Der Mechanismus ist aber zu dumm und primitiv«, sagt sie. »Man kann es nicht hinnehmen, dass er unser Leben weiterhin so bestimmt.«
    »Der Mechanismus wird auch gut geölt«, sagt er. »Mit all den Geschichten vom Märchenprinzen und den anderen Disney-Klischees, mit denen Werbung und Fernsehen und Kino und Schlager und Illustrierte und Bücher uns jeden Tag überschütten.«
    »Märchen gab es lange vor Walt Disney«, sagt sie. »Schon immer.« Sie denkt daran, wie sie als Kind zusammen mit ihren Schwestern Phantombilder von möglichen Männern ihres Lebens entwarfen, ohne die geringste Ahnung, weder von Männern noch vom Leben.
    »Und sie wurden immer von Männern geschrieben«, sagt er.
    »Damit sie von Frauen gelesen werden«, sagt sie. »Eben«, sagt er.
    »Aber es gibt ja nicht nur diesen Mist, mit dem wir zugeschüttet werden!«, sagt sie. »Innerlich streben wir durchaus nach Höherem!«
    »Aber gewiss«, sagt er. »Du meinst die Vorstellung von der verwandten Seele, oder? Deine andere Hälfte, körperlich und geistig, die in diesem Augenblick mit wer weiß welchem Gesicht oder Namen wer weiß wo in der Weltgeschichte herumschwirrt, die du aber, wenn du ihr begegnen würdest, auf den ersten Blick erkennen würdest?«
    »Und die anders ist als alles, was du bisher erfahren hast?«, sagt sie. »Die unvergleichliche ideale Ergänzung, die jede andere Kombination in den Schatten stellt?«
    »Hm«, macht er.
    »Gibt’s die deiner Ansicht nach nicht?«, fragt sie. »Ich fürchte, nein«, sagt er.
    »Und warum glauben wir dann weiter daran?« Sie würde gern wissen, wie weit sie selbst noch daran glaubt: viel weniger als früher, meint sie, auch viel weniger als noch vor ein paar Stunden.
    »Weil wir irgendwas erfinden müssen«, sagt er. »Um der trostlosen Wirklichkeit der Tatsachen einen Sinn zu geben.«
    »Besser, als gar nichts zu erfinden, oder?«, sagt sie mit spitzer Stimme. »Und klaglos hinzunehmen, dass das Leben sowieso ein Reinfall sei!«
    »Ja, aber jede Erfindung nutzt sich ab«, sagt er. »Es ist bloß eine Frage der Zeit.«
    »Was schätzt du?« An diesem Punkt kann sie bei einem Mann wie ihm gleich ein paar genauere Daten erfragen und sich ein akkurates Bild machen.
    »Sechs Monate?«, sagt er. »Ein Jahr, wenn es gutgeht?«
    »Also machst du nach sechs Monaten oder höchstens einem Jahr Schluss?«, fragt sie. »Das war’s, auf Wiedersehen? Einfach so?«
    »Ich war nie besonders gut im Schlussmachen«, sagt er.
    »Sondern?«, sagt sie.
    »Ich bleibe hängen, wie jeder«, sagt er, »für Jahre, in Langeweile, Gewohnheit und

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