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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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die Armlehne des Sofas gelegt. Wie soll sie das jetzt verstehen: als Beweis seiner Freundlichkeit oder als Eindringen in ihre Privatsphäre oder als symbolische Trennung ihrer beider Leben? Sie lässt den Bademantel fallen, der sie zu ersticken droht, zieht sich in wenigen Sekunden an. Dann zieht sie alles wieder aus, geht zurück ins Bad, duscht kalt, um sich den Schweiß und das Jucken der Mückenstiche und die klebrige Unsicherheit abzuwaschen, die Angst, die weiter in ihr zirkuliert. Nachdem sie sich oberflächlich abgetrocknet hat, zieht sie sich erneut an, verlässt das Zimmer mit noch nassen Haaren, geht die prächtige Treppe hinunter ohne die geringste Vorstellung, wie sie sich verhalten soll.
    Im Erdgeschoss muss sie drei durch Stufen verbundene Säle durchqueren, eingerichtet mit wahrscheinlich hier und da beim Trödler gefundenen Sofas und Sesseln, mit Tischen, auf denen Vasen mit frischen und getrockneten Blumen stehen. Sie lässt sich vom Licht leiten, tritt in den Hof hinaus, wo Eisentischchen auf hellem Steinpflaster stehen; er ist größer, als er vom Zimmerfenster aus wirkte. Zwei junge Paare sitzen beim Frühstück: eins mit einem Baby im Kinderwagen, das mit einem orangefarbenen Schirmchen vor der schon starken Sonne geschützt ist. Alle drehen sich zu ihr um, grüßen lächelnd. Sie erwidert das Lächeln und die Grußgesten, schaut in die Runde. Daniel Deserti steht im hintersten Teil des Hofes in einer von einem weißen Sonnensegel überspannten Sommerküche. Er hat die Hand auf Nicoles Schulter gelegt und sieht ihr dabei zu, wie sie Pancakes in der Pfanne hüpfen lässt; beide lachen.
    Clare würde am liebsten auf dem Absatz kehrtmachen, rasch wieder ins Zimmer hinaufgehen, ihre Sachen nehmen, zur Bahn- oder Busstation laufen, so schnell wie möglich verschwinden. Stattdessen geht sie auf Daniel Deserti und Nicole zu wie in einem törichten Traum, in dem man nicht entscheiden kann, was man tut: »Guten Morgen.«
    »Guten Morgen«, antworten sie, fast im Chor: ein seit langem aufeinander eingespieltes Paar in bester Laune zu Beginn eines schönen Tages. Nicole überlässt Daniel Deserti die Pfanne, wischt sich an einem Küchentuch die Hände ab, kommt auf Clare zu, umarmt sie und küsst sie auf beide Wangen.
    Clare antwortet mit hölzernen Bewegungen, schaut ihn an, wie er die Pancakes in der Luft wendet, unbefangen, fröhlich, Herr seiner Bewegungen, Herr der Lage. Wenn man ihn so sieht, kann man sich kaum vorstellen, dass er die Nacht mit ihr verbracht hat und nicht mit Nicole; sie würde gern die unbefangene Meinung der beiden Paare an den Tischen einholen, hören, was sie darüber denken.
    Elegant lässt er die Pancakes auf zwei Teller gleiten, als folgte er dem Rhythmus einer Musik: »Die habe ich dir zu Ehren gebacken. Nur für dich«, sagt er.
    »Danke«, erwidert sie, aber die Anspannung blockiert ihre Gesichtsmuskeln, hindert sie zu lächeln.
    Er reicht ihr die beiden Teller, deutet auf ein freies Tischchen: »Setz dich dorthin, ich bringe den Rest.«
    Sehr ungern begibt sie sich zu dem schon weiß gedeckten Tischchen, auf dem ein Körbchen mit Pfirsichen, Aprikosen und Feigen steht. Sie kneift die Augen zusammen wegen der Sonne, denkt, dass sie wenigstens gern noch einmal hinaufgehen und die Sonnenbrille aus ihrem Rucksack holen würde, um einen kleinen Schutzfilter zu haben. Ihre Haare trocknen in der zunehmenden Hitze, sie fühlt, wie sie sich am Hals und über der Stirn in kleinen Löckchen ringeln. Immer noch gehen ihr die Empfindungen und die Wörter der Nacht durch den Kopf, wie Fische, die beharrlich gegen den Strom schwimmen. Sie rutscht auf dem Stuhl hin und her, schirmt mit der Hand die Augen ab, doch es hilft nichts: Sie kann die unentwegt wiederauftauchenden Erinnerungen an Berührungen und die geistigen Bilder nicht stoppen.
    Er kommt mit einem kleinen Tablett mit einem Glas Honig, zwei Croissants, einem Kännchen Kaffee und zwei Gläsern Orangensaft. Nacheinander stellt er alles auf den Tisch, souverän, als gehörte der Ort ihm, und setzt sich. »Na?« Er sieht sie an.
    »Na?« Sie versucht erneut zu lächeln.
    Er steckt die Hand in die Hosentasche, zieht eine Bougainvilleadolde heraus, überreicht sie ihr, beugt sich vor und küsst sie auf die Stirn.
    Sie weiß nicht, wie sie reagieren soll: Sie nimmt die Blüten, starr lächelt sie ihn und die anderen Leute im Hof an, die sich umgedreht haben und die Szene beobachten.
    Er gießt Honig auf die Pancakes, für sie und für

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