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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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nicht da.« Die Verkäuferin starrt ihn kopfschüttelnd an.
    Clare tippt dem Jungen auf den Arm: »Are you looking for your sister?«
    Der Junge wendet sich um: »Yeah«, sagt er; seine großen grauen Augen leuchten kurz auf.
    Sie sagt zu der Verkäuferin: »Die Schwester dieses Jungen ist verlorengegangen. Können Sie sie über die Lautsprecher ausrufen, bitte?«
    »Wie heißt sie?«, fragt die Verkäuferin.
    »What’s her name?«, gibt Clare weiter.
    »Jenny«, sagt der Junge gepresst. »Jenny Deserti.«
    »Deserti?«, wiederholt die Verkäuferin, als würde sie immer noch nicht verstehen. Der Wachmann kommt hinter die Kassentheke und mustert Clare und den Jungen, als ob sie potentiell gefährlich wären.
    »Jenny De-ser-ti«, sagt Clare. »Bitte rufen Sie sie am Lautsprecher aus.«
    »Versteht sie denn Italienisch?«, fragt die Verkäuferin.
    »Ja.« Der Junge nickt.
    Die Verkäuferin zögert, sieht den Wachmann an, der seine Zustimmung signalisiert. Endlich drückt sie eine Taste, beugt sich über ein Mikrophon, und dann hört man überall ihre durch die Verstärker leicht hallende Stimme: »Die kleine Jenny De-ser-ti wird gebeten, sich im Untergeschoss an der Kasse zu melden.«
    Gleich darauf erscheint auf der Rolltreppe abwärts ein mageres, etwa zwölfjähriges Mädchen mit Sommersprossen und rötlichen Haaren. Sie macht ein besorgtes Gesicht und hält einen Bikini aus geblümtem Synthetikstoff in der Hand.
    Daniel Deserti taucht aus dem Labyrinth der Kleiderständer auf und packt sie unsanft am Arm: »Where the hell have you been?«
    »Upstairs, looking for this«, sagt Jenny Deserti und zeigt ihm den Bikini.
    Er schüttelt sie: »You nearly killed me, Jen.«
    »I was away for less than ten minutes.« Das Mädchen versucht sich loszumachen, peinlich berührt von dieser Szene in der Öffentlichkeit und den Blicken der Umstehenden.
    Der Bruder reißt ihr das Bikinioberteil aus der Hand, studiert die großen, mit Schaumstoff gefütterten Körbchen, die absurd sind angesichts der Proportionen seiner Schwester. »What’s this?« Er lacht.
    Jenny Deserti will das Oberteil zurückhaben, der Junge hebt es hoch, außer Reichweite; sie balgen sich, keineswegs nur zum Spaß.
    Daniel Deserti geht dazwischen, trennt sie. Dann dreht er sich mit unentschiedener Miene zu Clare um: »Was machen Sie denn hier?«
    »Das ist ein Kaufhaus.« Sie hält ihre Tüte hoch. Doch seine Art, sie anzusehen, überrascht sie: der tiefe Blick seiner haselnussbraunen Augen, die feurige Aufmerksamkeit, die ihr entgegenschlägt und sie anzieht wie ein Magnet, fast unwiderstehlich.
    »Ach, danke«, sagt der Junge zu ihr, noch außer Atem von dem Gerangel mit seiner Schwester.
    »Bitte.« Sie ist froh, dass wenigstens einer ihren Beitrag anerkennt.
    Daniel Deserti schaut seinen Sohn fragend an.
    »Sie hat sehr geholfen.« Der Junge deutet auf die Theke, von der aus die beiden Kassiererinnen sie immer noch beobachten. In Wirklichkeit spricht er ziemlich gut Italienisch, wenn er nicht gerade extrem gestresst ist.
    »Was zum Teufel fällt dir ein?«, sagt Daniel Deserti zu seiner Tochter. »Das ist was für Matronen, vier Nummern zu groß für dich! Siehst du das nicht?«
    »What’s a Matrone?« Jenny Deserti schließt halb die Augen: empfindlich, misstrauisch.
    »Vielleicht sollte sie mal in der Mädchenabteilung schauen«, sagt Clare, hin- und hergerissen zwischen dem Impuls, sie einfach stehenzulassen, und dem Wunsch, ihnen zu helfen.
    »Ja, klar.« Er macht seiner Tochter ein Zeichen: »Such dir dort was.«
    »But they’re for kids!«, protestiert Jenny Deserti. »They have Barbie dolls and teddy bears all over them!«
    »Geh du mit ihr«, sagt Daniel Deserti zu dem Jungen.
    Der Junge nickt, aber zuletzt gehen sie alle in dieselbe Richtung, einschließlich Clare. Sie weiß nicht genau, warum sie das macht, um zu helfen oder aus Neugier, weil sie einen extrem heißen freien, unverplanten Nachmittag vor sich hat. Sie bleibt stehen und beobachtet aus ein paar Metern Abstand den jungen Deserti, der mit Duldermiene einige Bikinis von einem Ständer nimmt und sie seiner Schwester hinhält, die den Kopf schüttelt und wegschaut. In der Tat sind es Kinderbikinis mit Glitzersternchen oder Comic-Figuren, kein Wunder, dass ein Mädchen in ihrem Alter sie nicht will.
    »Nimm doch irgendeinen!«, sagt Daniel Deserti. »Du willst dich ja nicht an eine billige Fernsehshow für schweinische Voyeure verkaufen, oder?!«
    Jenny Deserti verschränkt die Arme,

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