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Sie und Er

Sie und Er

Titel: Sie und Er Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea de Carlo
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Begeisterung, und dafür, dass du mich meiner Mutter gegenüber so gut unterstützt hast!«
    »Ich glaube nicht, dass sie meine Unterstützung interessiert hätte«, sagt sie. »Es ist sowieso eure Sache.« Sie fragt sich, ob sie sich einfach feige raushalten will, doch ihr scheint, sie sei ziemlich objektiv.
    »Es ist meine und deine Sache, Chiara!«, sagt Stefano. »Wir zwei wollen doch zusammen in die Wohnung einziehen.«
    »Ich wollte dich nicht verärgern«, sagt sie leise, in der Hoffnung, dass auch er seine Stimme senkt.
    »Ich bin nicht verärgert«, sagt er, schon teilweise besänftigt. »Es macht mich bloß rasend, wenn du dich so benimmst.«
    »Wie denn?«, fragt sie.
    »Wenn du nicht Stellung nehmen willst«, sagt er.
    »Tut mir leid.« Es tut ihr ehrlich leid, dass die Wohnung sie nicht begeistert, dass sie nicht drauf brennt, mit ihm dort zusammenzuziehen, dass sie das Telefonat endlich beenden möchte, damit sie zu dem Gespräch mit Annas Freundinnen zurückkehren kann.
    »Ich wollte nur wissen, ob dir die Wohnung gefällt oder nicht«, sagt Stefano, um Gelassenheit bemüht, und es klingt beinahe glaubhaft.
    Sie fragt sich, ob es eine schonende Art gibt, um ihm zu sagen, nein, sie gefällt mir nicht, sie verursacht mir sogar Beklemmungen, weil mir jedes Zimmer und jede Ecke ein Leben aufzudrängen scheint, das ich nicht führen möchte. Doch ihr fällt nichts Passendes ein, deshalb sagt sie: »Aber ja.«
    »Nur das wollte ich wissen«, sagt Stefano. »Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
    »Okay«, sagt sie. »Ciao.«
    »Warte«, sagt er. »Und was ist mit Ovada im August? Hast du dich erkundigt, wie viele Urlaubstage du nehmen kannst?«
    »Nein«, antwortet sie. »Aber wir haben sicher eine Menge zu tun. Schon letzte Woche hat es stark angezogen.«
    »Frag trotzdem«, sagt er. »Erkläre ihnen, dass du dringliche familiäre Verpflichtungen hast.«
    »Ich wird’s versuchen«, sagt sie, um die Sache abzuschließen.
    »Tu das«, sagt er. »Gleich morgen früh.«
    »Einverstanden.« Sie sieht zu Annas Freundinnen hinüber.
    »Ciao, Mäuschen«, sagt Stefano.
     
    Früher mochte er Flughäfen sehr, weil sich dort Absichten und Zufall kreuzen können
     
    Früher mochte er Flughäfen sehr, weil sich dort Absichten und Zufall kreuzen können. Es bereitete ihm größtes Vergnügen, abzureisen und anzukommen oder auf Anschlussflüge zu warten. Wenn er alle seine Reisen quer durch die Welt zusammenzählt, hat er einen nicht unbeträchtlichen Teil seines Lebens an Flughäfen verbracht, um Ideen oder Wünschen oder ehrgeizigen Vorhaben oder einfachen Launen nachzujagen, um zu einer Frau zu gelangen oder sich von einer Frau zu entfernen, um Jahreszeit oder Tapete zu wechseln, um zu suchen, was er brauchte, oder um fortzulaufen vor dem, was er gefunden hatte. Er war viel unterwegs, aus Neugier oder Notwendigkeit, aus Angst, Langeweile oder Ungeduld, aus Enttäuschung oder Unsicherheit, aus Unruhe, Gereiztheit, Verzweiflung oder Mangel an Inspiration. Schon tausendmal ist er in zu langsamen Taxis durch irgendwelche Städte gefahren, mit zu schwerem oder zu leichtem Gepäck, ist atemlos zum Check-in gekommen, ist triefend von Schuldgefühlen oder geplagt von unendlichen Zweifeln über die Piste gerollt und hat scheinbar endgültig vom Boden abgehoben.
    Doch seit einer Weile sieht er Flughäfen vor allem als Orte der Trennung, an denen Verbindungen gekappt und unüberbrückbare Distanzen geschaffen werden. Natürlich hat sich in den letzten Jahren auch im gesamten internationalen Transportsystem die Stimmung geändert, Misstrauen und krankhafte Gründlichkeit haben selbst die gewöhnlichsten Routinekontrollen vergiftet. Mittlerweile sieht man nur noch wenige Liebespaare, die sich umarmen, dafür viele Polizisten mit Wachhunden, Soldaten im Kampfanzug, fanatische Kontrolleure, einschüchternde Schilder, Videokameras, die alles aus verschiedenen Winkeln aufnehmen. Ihm scheint, als verwandelten sich die Flughäfen immer mehr in Labore, wo die präventiven Abwehrsysteme einer zu Recht ängstlichen Gesellschaft erprobt werden: Metalldetektoren, Lesegeräte für Fingerabdrücke, Iris-Lesegeräte, Body-Scanner, mit denen man durch die Kleidung hindurchsehen kann wie mit jenen Spanner-Brillen, die er als Kind in den Anzeigen seiner Comic-Hefte eifrig studierte. Im Tausch gegen Sicherheitsversprechen unterziehen sich die Reisenden außerordentlich fügsam jeder Art von Beraubung, sie gewöhnen sich an Maßnahmen, die

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