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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ebenfalls aus und klappte die Motorhaube wieder zu.
    »Es sieht böse aus«, sagte er. »Ich brauche es gar nicht anzusehen, ich rieche es. Wie bei Ihnen im Krankenhaus. Wo es kritisch wird, stinkt es.«
    »Ich habe den Sonderschein 1! Ich bekomme einen neuen Motor!«
    »Hier?« Duskow machte eine ausladende Armbewegung. »Gott liebt die Russen, heißt es – aber ob er einen Motor regnen läßt …?«
    »Halten Sie den Mund!« Das klang schon anders. Die warme Stimme bekam einen metallischen Unterton. Aha, sie kann auch so, dachte Duskow. Schwebt durch die Krankenzimmer wie ein Engel, aber wenn sie wütend ist, faucht sie die Patienten an und spart damit Tabletten ein, denn wer so angeraunzt wird, liegt von alleine still und brav im Bett. »Wir gehen ins Dorf.«
    »Nach Krasnozawodsk?«
    »Ja!« Sie blickte ihn erstaunt an. »Woher kennen Sie es?«
    Das war ein Fehler, durchfuhr es Duskow. So etwas darf einfach nicht vorkommen. Recht haben Sie, Oberst von Renneberg! Immer an Kleinigkeiten denken! Oft verändert sich alles durch eine vergessene Kleinigkeit.
    »Da stand vorhin ein Schild, Genossin«, erklärte er. »Nach Krasnozawodsk. Ich habe ein gutes Namensgedächtnis.«
    Sie gab sich damit zufrieden, hieb mit der Faust auf die Motorhaube, als bestrafe sie den Motor, und ging mit weitausgreifenden Schritten die Straße hinunter. Duskow starrte ihr nach. Ihr Gesäß schwang atemberaubend bei jedem Schritt, das schwarze, lange Haar wehte über ihre Schulter, um die langen Beine bauschte sich der Glockenrock. Welch eine Frau! Man muß der Natur, die Orchideen blühen und Paradiesvögel in der Sonne schillern läßt, dankbar sein, daß sie gelegentlich auch der menschlichen Rasse soviel Schönheit schenkt.
    Er lief ihr nach, schob sich an ihre Seite und sagte: »Ist es nicht leichtsinnig, das ganze Gepäck im Wagen zu lassen?«
    »Hier stiehlt niemand! Nicht alle kommen aus Kasan!«
    »Danke! Wir verstehen uns nicht, Genossin! Ich wollte nicht stehlen. Ich wollte mich nur erotisch befriedigen. Wenn ich ein Auto sehe …«
    Sie blieb ruckartig stehen, und ihre Augen sprühten Feuer. »Hören Sie endlich auf damit, Leonid Germanowitsch! Warum wollen Sie mit Blödheit imponieren?!«
    »Ich kann auch auf den Händen gehen«, sagte Duskow still. »War der beste Turner meiner Klasse. Wünschen Sie sich, was Sie wollen, Genossin. Ich möchte, daß ich etwas tue, was Ihnen gefällt.«
    »Dann halten Sie den Mund!«
    Duskow nickte, schlug sich mit einer weitausholenden Geste auf die Lippen und machte durch Zeichen kund, daß nun alles geschlossen sei. Die Ärztin schüttelte den Kopf und ging weiter.
    Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis man sich in Krasnozawodsk einig war, wer den Wagen reparieren sollte: der Schmied oder der Stellmacher. Sie fanden zu dem Kompromiß, daß bei einem so schweren Fall beide Berufsgruppen Arbeit finden könnten, und schleppten den Wagen mit zwei davorgeseilten Kühen ins Dorf. Der Schmied beteuerte, es sei ihm eine Ehre, die Gäste zu beherbergen, zeigte ihnen ein Zimmer mit einem riesigen selbstgezimmerten Bett und ließ sie dann allein. Die Ärztin setzte sich auf die Bettkante und band mit dem roten Tuch ihr Haar straffer an den Kopf und in den Nacken.
    »Was stehen Sie noch herum?« fragte sie.
    »Verzeihung, was soll ich tun?«
    »Suchen Sie sich eine Bleibe.«
    »Sofort!«
    Duskow verließ das Zimmer, umkreiste dreimal das Haus und kam dann zurück. Der Schmied hatte unterdessen einen Eimer Wasser gebracht, in dem sich die Ärztin die Hände wusch. Duskow stellte sich ans Fenster und blickte traurig drein. »Ich werde neben dem Amboß schlafen«, sagte er.
    »Wieso?« Sie blickte auf und trocknete ihre Hände und Unterarme an einem sauberen Handtuch.
    »Ein ängstliches Volk, die Leute von Krasnozawodsk! Keiner will einen alleinstehenden, fremden Mann im Bett haben! Man kann es verstehen. Die meisten Weibchen sind allein, die Männer an der Front, die Uralten sind kein Schutz. Und da kommt so ein flotter Bursche wie ich daher und fragt: Ist bei dir noch ein Plätzchen im Bett frei?! – Was würden Sie da antworten? Na also! Eine Frau hat mich sogar mit dem Besen bedroht und ›Du lausiger Bock!‹ gerufen!«
    »Bis zum Abend haben wir vieles geklärt!« Die Ärztin warf das Handtuch weg und ging hinaus in den großen Wohnraum. Dort, in der Küchenecke, stand Lipa , die Frau des Schmiedes, am Feuer und kochte eine Schtschi, eine dicke Suppe aus gesäuertem Kohl. Es roch scharf nach

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