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Sie waren zehn

Sie waren zehn

Titel: Sie waren zehn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einbilden, Stalin habe sie behandelt. Natürlich weiß jeder, daß dies Unsinn ist – aber der psychische Eindruck, wenn sich ›Stalin‹ über einen beugt und den Bauch abtastet, ist ungeheuer.«
    Radowskij nahm seine Tasse Tee, nippte daran, fand ihn zu süß und stellte ihn zur Seite. Die drei Stalins entfernten sich auf einen Wink von Smolka und nahmen ihre Tassen mit. Als die Tür hinter ihnen zuklappte, knöpfte sich Radowskij den Uniformkragen auf.
    »Ist Ihnen klar, Igor Wladimirowitsch«, sagte er dabei, »was Sie da gesammelt haben? Zunächst die negative Seite: Sie könnten – theoretisch – Stalin gegen einen der Doppelgänger auswechseln und damit die gesamte sowjetische Politik umdrehen! Sie könnten die Weltgeschichte ändern! Ein Mord an Stalin würde nie auffallen, nie bekannt werden … denn Stalin ist ja da! Sie, Smolka, haben immer einen präsent! Dieser Gedanke allein – und Stalin wird ihn sofort denken, wenn er seine drei Doppelgänger sieht – reicht aus, Sie und die drei sofort zu liquidieren. Das ist Ihnen doch klar? Ich nehme an, Sie haben die Doppelgänger gut geschult.«
    »Sie bewegen sich wie Stalin, sie sprechen wie Stalin, sie saufen wie Stalin, sie brüllen wie Stalin, sie sind der große Schauspieler wie Stalin, sie schlafen wie Stalin, sie rauchen wir Stalin und sie lieben wie Stalin … alles in der Maßlosigkeit wie Stalin. Sie sind vollkommen.«
    »In Ihrer Aufzählung sind mindestens vier Todesurteile enthalten, Igor Wladimirowitsch.«
    »Wir sind unter uns, Genosse General.«
    Radowskij nahm doch noch einen Schluck des süßen Tees und steckte sich eine neue Zigarette an. »Ihr Mut ist zu bewundern. Wenn Stalin von diesen dreien erfährt …«
    »Dazu habe ich sie ja kommen lassen.«
    »Es gibt unkompliziertere Todesarten.«
    »Ich möchte Sie bitten, Genosse General, mir die Gelegenheit bei Stalin zu verschaffen, seine drei Doppelgänger vorzustellen.«
    »Unmöglich!« Radowskij sah Smolka an, als liefe er ohne Hosen herum. »Smolka, überlegen Sie mal, welchen Unsinn Sie da reden! Ein Mann, besessen von einem pathologischen Mißtrauen gegen alle, zerfressen von der Angst, nur Verschwörer und Verräter um sich zu haben, immer mit dem Gedanken spielend, mit einer neuen großen Säuberungswelle alle seine inneren Feinde zu vernichten, dieser Mann, der keine Freunde hat, sondern nur Befehlsempfänger, der Tag und Nacht an nichts anderes mehr denkt als an den Tag, an dem er die große Intrige gegen sich aufdecken kann – einem solchen Mann wollen Sie drei vollendete Doppelgänger präsentieren, die beweisen, daß er ohne Aufsehen austauschbar ist?! Smolka, das überlebt keiner von uns!«
    »Diese Doppelgänger sind der beste Schutz gegen ein Attentat auf Stalin durch die deutsche Offiziersgruppe.« Smolka setzte sich Radowskij gegenüber. »Wo immer Stalin in den nächsten Wochen und Monaten an die Öffentlichkeit tritt, wird es einer der Doppelgänger sein. Ein ganz simpler Plan, Genosse General, aber wirksam wie kein zweiter. Nur so können wir Stalin schützen! Lassen Sie mich das dem Generalissimus vortragen.«
    »Stalin wird die andere Version sehen.«
    »Auch sie ist damit entschärft!« Smolka trank seinen Tee und ließ ihn einen Moment im Gaumen kreisen. Er liebte diese parfümierten chinesischen Teesorten, die er sogar noch mit Honig süßte. »Die Verschwörer im Kreml – sollte es solche geben – werden ebenfalls nicht wissen, welchen Stalin sie vor sich haben! Es kann immer der falsche sein, und der richtige schlägt dann zur Vergeltung zu. – Gibt es einen besseren Schutz?«
    »Wie ich sagte: Mephisto war ein schiefmäuliger Idiot gegen Sie, Igor Wladimirowitsch!« Radowskij erhob sich. Auch Smolka sprang sofort aus seinem Sessel. »Haben Sie auch einen Rat, wie ich Stalin auf diese Begegnung vorbereiten soll?«
    »Sagen Sie ihm schlicht die Wahrheit.«
    »So etwas Ausgefallenes kann auch nur vom NKWD kommen!« antwortete Radowskij sarkastisch. »Oberst Smolka, warten Sie nicht auf Nachricht von mir. Und werden Sie nicht hysterisch, wenn Sie an die paar deutschen Offiziere denken, die in Moskau leben könnten. Das sind hoffnungslose Idioten – mit dem Vorteil, daß sie den Krieg überleben.«
    Smolka brachte General Radowskij bis zum Lift und ging dann zurück in seinen abgesperrten Büroteil. Im Zimmer von Nikolai Iljitsch Tabun waren die Vorhänge zugezogen, im Halbdunkel saßen die drei ›Stalins‹ vor einer aufgespannten Leinwand und warteten. Ein

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