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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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glänzen. Ächzend zog Sparks nun den Rest seines Körpers nach und landete schwer auf dem dünnen Drillich der oberen Koje. Sein Körper rührte sich noch einmal, dann wurde es still. Er lag auf dem Rücken. Doyle lauschte dem Rhythmus seines Atems, der langsam ruhiger wurde, dann zunehmend flacher und erschöpfter.
    Er hob die Pistole. Sein Herz schlug wild. Ich könnte jetzt feuern, dachte er. Die Waffe an die Matratze drücken, die Patronenkammern leeren und ihn töten. Er drückte den Lauf vorsichtig an das obere Bett und spannte den Hahn. Das Geräusch machte ihm Kummer, aber im Luftholen oben war keine hörbare Veränderung. Sparks war nicht mehr in dieser Welt. Doyle verlor jedes Zeitgefühl, wie er so dalag, die Pistole in der Hand, auf dem dünnen Grat einer schicksalsträchtigen Entscheidung. Irgend etwas in seinem Inneren hinderte ihn daran, den Abzug zu betätigen. Er konnte den Grund nicht nennen. Er wußte, es hatte etwas mit der Musik zu tun, die er gehört hatte, aber noch während er sich herauszufinden bemühte, was es war, schlief er ein.
    Als Doyle erwachte, lag das Schießeisen zwar noch in seiner Hand, doch der Hahn war entspannt. Schmutziggraues Licht sickerte durch die Vorhänge des Außenfensters. Er streckte eine Hand aus, um hinauszusehen.
    Der Zug jagte noch immer mit beträchtlicher Geschwindigkeit dahin. Sie waren während der Nacht in die äußere Zone eines Unwetters gelangt. Der Himmel war bedeckt. Eine frische Schneedecke verhüllte das flache, anonyme Land, und das Weiß fiel auch jetzt in flauschigen Flocken, die die Ausmaße von Pusteblumen hatten, zur Erde.
    Doyle rieb sich den Schlaf aus den Augen. Er hatte Hunger und war aufgrund der emotionalen Strapazen der langen Nacht brummig und verkatert. Er schaute auf seine Uhr. Halb acht. Er roch Shagtabak und starken, aufgebrühten Tee, doch es war der unerwartete Klang von Gelächter erforderlich, um ihn aus seiner Koje in den vorderen Teil des Waggons zu locken.
    »Ich bin reich!« hörte er Larry rufen.
    »Der Blitz soll dich beim Scheißen treffen!« sagte Sparks.
    Mehr Gelächter. Larry und Sparks spielten am Tisch Karten, ein Teeservice stand neben ihnen. Sparks rauchte eine langstielige Pfeife.
    »Wie geht's denn immer?« sagte Larry. »Sehn Sie sich mal die schönen Neuigkeiten an.« Er warf einen Blick auf die Karten, die Sparks nun auf den Tisch legte. »Die streunenden Angehörigen der königlichen Familie, die Sie an Ihren Busen drücken, werden Sie die Apanage 'ner Königin kosten.«
    »Spann mich nicht auf die Folter, du Halunke - ah, Doyle!« sagte Sparks gutgelaunt. »Wir haben gerade darüber debattiert, ob wir Sie wecken sollen. Hier steht 'ne frische Kanne Tee. Wollen Sie ein Täßchen Souchong?«
    »Aber gern«, sagte Doyle, der keiner weiteren Einladung bedurfte, um sich zu ihnen zu setzen und sich sogleich auf den ihm angebotenen Teller mit Brötchen und hartgekochten Eiern zu stürzen.
    Sparks schenkte den Tee ein, während Larry den Wert seiner Karten errechnete und das Ergebnis einer langen, unleserlichen Zahlenreihe hinzufügte, die er in ein abgeschabtes Notizbuch eintrug.
    »So siehtʹs also aus, Chef, Pech für Sie«, sagte Larry. »Donnerkiel, jetzt stecken Sie aber gewaltig inner Klemme. Also ehrlich; das bricht Ihnen ʹn Hals.«
    »Was hast du jetzt insgesamt?«
    »Also aufgerundet... den kleinen Gefallen kann ich Ihnen doch wohl erweisen, oder etwa nich? Sie schulden mir jetzt ... fünftausendsechshundertvierzig Pfund.« Doyle erstickte beinahe an seinem Tee. »Gott ...«
    »Wir spielen das Spiel jetzt seit fünf Jahren«, erklärte Sparks. »Der Mann ist einfach nicht zu schlagen.«
    »Irgendwann werden Sie schon auch mal Glück haben, Chef«, sagte Larry und mischte die Karten mit erschreckender Gesetzestreue. »Auch ʹn blindes Huhn findet ja mal ʹn Korn.«
    »Das möchte er mir jedenfalls einreden.«
    »Was isses denn anderes als die Hoffnung aufs Glück, die Sie jedesmal wieder an ʹn Tisch zurücktreibt? Um zu leben, muß der Mensch hoffen können.«
    »Ich bin überzeugt, daß er mich verschaukelt, Doyle«, sagte Sparks. »Ich bin ihm nur noch nicht auf die Schliche gekommen.«
    »Ich sag ihm alle naselang, daß es kein Ersatz für die Gunst von Oma Glück gibt«, sagte Larry und zwinkerte Doyle theatralisch zu.
    »Es hat sich aber auch noch keiner für mein Geld gefunden«, sagte Sparks heiter und erhob sich vom Tisch.
    »Man muß doch das Recht haben, sich 'n bißchen was für die alten Tage

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