Sieben
auf die hohe Kante zu legen, oder? Man will doch 'n bißchen Muße und Klimpergeld haben, wenn einen das Zipperlein plagt, was uns ja unweigerlich allen blüht.« Larry legte die Karten vor Doyle hin, damit er abhob und lächelte breit. »Lust auf'n Spiel, Chef?«
»Doyle, bevor Sie jetzt irgendeine Entscheidung treffen, möchte ich Ihnen eins sagen: Es ist viel leichter, dem ersten Schritt auf dem Weg zum Ruin zu entsagen als einem der tausend, die danach folgen.«
»Vielen Dank, Larry«, sagte Doyle. »Ich meine: danke, nein.«
»Hoch sollen Sie leben, Doc«, sagte Larry fröhlich, breitete eine Handvoll Asse aus und steckte die Karten ein. »Man sieht doch gleich, daß Sie auf Ihrem schnieken College mehr gelernt haben als nur, wo man die Pumpe von 'nem Menschen findet.«
»Ich bin ein strenger Verfechter der Theorie«, sagte Doyle und warf Sparks einen beiläufigen Blick zu, »daß man, wenn man schon einem Laster frönen muß, sich nicht mehr als eins auf einmal zulegt.«
»Welches könnte wohl Ihr einziges Laster sein, Doyle?« fragte Sparks munter. Er lehnte mit verschränkten Armen an der Kombüse und saugte an seiner Pfeife.
»Der Glaube an das angeborene Gute im Menschen.«
»Ho, ho!« machte Larry. »Das is weniger 'n Laster als 'n Strick, der sich garantiert um Ihren Hals legt.«
»Nennen wir es doch Naivität«, sagte Sparks.
»Ein zynischer Geist würde es wohl so nennen«, sagte Doyle ruhig.
»Und Sie nennen es ...«
»Redlichkeit.«
Sparks und Doyle tauschten einen Blick. Doyle sah, daß Sparksʹ Augen sich leicht verengten. Hatte er irgendeine verletzliche Stelle in ihm beschämt, oder war es nur ein reuiger Reflex? Doch was es auch war: Sparks zog sich aus der Offenheit ihres Wortwechsels und der mit Larry aufgebauten Heiterkeit der Stimmung zurück und büßte damit ihren hellen Glanz ein.
»Mögen Sie lange gut damit fahren«, sagte Sparks.
»Wir vertrauen auf Gott«, sagte Larry. »Das gravieren die in Amerika auf ihre Münzen. Is auch der passende Ort für Redlichkeit, wenn Sie mich fragen.«
Sparks ging zu der Tür, die zur Lok führte. »Für ein Spiel habe ich genug von meinem schrumpfenden Vermögen an dich vergeudet, Larry. Es wird Zeit, daß du deinen Unterhalt verdienst und etwas Kohle nachlegst...«
»Ganz Ihrer Meinung, Sir.«
»Sie sind mehr als willkommen, sich zu uns zu gesellen, Doyle.«
»Ein bißchen Bewegung und frische Luft könnten mir nicht schaden«, sagte Doyle.
Er folgte ihnen zur Tür hinaus, überquerte die rüttelnde Kettenkupplung und kletterte auf den Tender. Sparks winkte Barry in der Lokomotive zu, dessen Hand auf der Drosselklappe lag. Alle nahmen sich eine Schaufel und machten sich an die Arbeit, den Kessel mit Brennstoff zu füllen. Der kalte, peitschende Wind warf den Kohlenstaub in die Luft, der in ihre Haut biß; getriebene Schneeflocken detonierten bei der Berührung mit ihren Kleidern. Die Kristalle schmolzen in den wollenen Fäden, lösten sich im Schwarz des verwehenden Staubes auf.
»Wo sind wir?« rief Doyle.
»Noch eine Stunde bis York«, rief Sparks zurück. »Wenn das Wetter anhält, sind wir in drei Stunden in Whitby.«
Die Kälte trieb sie zu großen Anstrengungen an, damit sie sich schneller aus dem blendenden Licht der Luke entfernen konnten. Bald brannte das Feuer im Kessel heißer als im Gewissen eines Sünders.
Whitbys Geschichte hatte im sechsten Jahrhundert als Fischerdorf ihren Anfang genommen, das im Laufe der Zeit zu einer kleinen Hafenstadt herangewachsen war, einem Seebad für den kurzen Sommer Northumbrias, das jedoch im tiefsten Winter ein abschreckendes Ziel für alle außer jene war, die es entweder geschäftlich oder aufgrund eines Brauches aufsuchen mußten. Auf dem Weg zum Meer hatte der River Esk eine tiefe Schneise zwischen zwei Bergkuppen geschnitten; dort bildete er einen natürlichen, tiefen Hafen, in dessen engem Tal das dörfliche Leben zuerst erblüht war. Im Laufe der Jahrhunderte hatte sich die Gemeinde über beide Hügel ausgedehnt und sie vereinnahmt. Irgendeine Mischung aus Trübsinn und der rauhen Landschaft hatte hier eine fruchtbare Oase für ernste religiöse Gefühle und oftmals auch Inbrunst hervorgebracht. Demzufolge beherrschte die zerfallende keltische Abtei St. Hilda die hohe Landzunge im Süden des Ortes, wie schon zu jenen Zeiten, als es in England noch keine Könige gegeben hatte. Die Ruinen der uralten Abtei warfen einen langen Schatten über Goresthorpe Abbey, ihren weniger
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