Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
Lokomotive zurück. Doyle stand allein in der Kombüse und starrte Sparks quer durch den Waggon an. Seine schlimmsten Befürchtungen veranstalteten in seinem Geist einen Aufruhr und zertraten die Scherben der Sicherheit, an die zu klammern er sich bemühte. Als Sparks zu ihm aufsah, reagierte Doyle mit einem aufgesetzten, zu schnellen Lächeln und hob in blutarmer Jovialität sein Glas. Er kam sich so ertappt und reumütig vor wie ein in flagranti erwischter Taschendieb. Sparks wandte sich ohne eine besondere Reaktion wieder seiner Tätigkeit zu.
    Doyle war verzweifelt. Was sollte er jetzt tun? Prangten seine verräterischen Gedanken nicht so deutlich lesbar auf seiner Stirn wie auf einer Reklametafel? Jeder Schritt, den er nun tat, konnte genau der falsche sein und ihn noch tiefer in stille, brackige Gewässer führen. Er setzte zu einem leisen, effektvollen Scheingähnen an und nahm die Reisetasche an sich.
    »Ich glaube, ich lege mich hin«, sagte er.
    »Schön«, erwiderte Sparks.
    »War ein langer Tag. Ein sehr, sehr langer Tag.«
    Sparks reagierte nicht. Doyles Füße scharrten über den Boden.
    »Also, dann lege ich mich mal da hinten in die Koje«, sagte Doyle lächelnd und deutete überflüssigerweise auf das Heck des Waggons. Was redete er nur für ein lächerliches und durchschaubares Zeug zusammen?
    »Nur zu«, sagte Sparks, ohne aufzuschauen.
    »Der Zugrhythmus. Beruhigend. Müßte einem eigentlich gut beim Einschlafen helfen. Das Geruckel. Klicketi-klack, klicketi-klack.« Doyle konnte die Worte, die aus seinem Mund kamen, selbst kaum glauben. Er schwafelt vor sich hin wie ein geistesschwaches Kindermädchen.
    Sparks maß ihn mit einem unsicheren Blick. »Sind Sie in Ordnung, alter Knabe?«
    Doyles Possenlächeln erstrahlte wie ein Leuchtturm. »Ich? Tipptopp. Hab mich nie besser gefühlt!«
    Sparks schüttelte sich leicht. »Dann lassen Sie lieber die Finger vom Wein.«
    »Mach' ich. Auf ins Land der Träume!« Doyle konnte sein Grinsen nicht abschalten. Als könnte es sein Leben retten. Sparks nickte und wandte sich wieder seinen Studien zu. Doyle überzeugte endlich seine Beine, sich in Bewegung zu setzen und marschierte in den hinteren Teil des Waggons. Auf ins Land der Träume? Was war bloß in ihn gefahren?
    Als er vor den Kojen stand, debattierte er mit sich über die Frage, welche wohl die sicherste sei, um seine Ängste und Befürchtungen für die Nacht zu beruhigen. Dies dauerte einige Zeit. Als Sparks ihm einen Blick zuwarf, lächelte Doyle und winkte ihm zu, dann stieg er in das untere Bett, zog die Vorhänge zu und rollte sich in der Schlafnische zusammen.
    Er starrte auf die Koje über sich, drückte die Reisetasche an die Brust und nahm den Revolver fest in die Hand. In seinem Geist jagte ein Szenarium des Untergangs das andere. Sollte er sich auf mich stürzen, dachte er, kriegt er mich jedenfalls nicht kampflos. Vielleicht sollte ich vorsichtshalber ein paar Kugeln in seine Koje ballern, wenn er schläft, dann könnte ich die Notbremse ziehen und in der Wildnis untertauchen ...
    Doyle lugte verstohlen durch den Spalt zwischen den Vorhängen. Er konnte Sparks' Rücken sehen. Er saß noch immer über seine Arbeit gebeugt, las, schrieb, blickte durch ein Vergrößerungsglas. Sogar seine Haltung deutete eine bisher unbemerkte Manie an: Er wirkte verkrampft, nervös, zwanghaft. Wie deutlich er den Wahnsinn des Mannes nun sah. Wieso war ihm das bisher noch nicht aufgefallen? Ja, er war abgelenkt gewesen, und zwar mehr als einmal. Ganz zu schweigen davon, daß Sparks' unbestrittener Genius eine dermaßen undurchdringliche Abschirmung um ihn errichtet hatte, daß es nahezu unmöglich war, herauszufinden, wo die Erfindung endete und sein wahrer Charakter begann. Doyle tadelte sich; wenn seine Beobachtungsgabe ihn nicht trog, waren die Anzeichen der Sparksschen Instabilität immer da gewesen: sein launisches Schweigen, die Verkleidungen, der verschleierte Bombast -
Arhanta,
tatsächlich! -, seine Fixierung auf Geheimniskrämerei und globale Verschwörungen; der Aktenschrank, der ihm als Verbrecherkartei diente - vielleicht enthielten die Karteikarten nichts anderes als willkürliches Gekritzel. Irre bastelten sich ganze Welten zusammen, die lediglich von privater und verblendeter Bedeutung bevölkert waren. Und es bestand auch keine Frage mehr über das Talent des Mannes und seine Leistungsfähigkeit in Sachen Gewalt. Und er mußte die Nacht mit einem der gefährlichsten Menschen der Gegenwart in

Weitere Kostenlose Bücher