Sieben
Sie bei vielen Gelegenheiten gesehen, bei Premieren und so weiter.«
Sparks und Doyle stellten sich ebenfalls vor. »Darf ich fragen, Gentlemen, was Sie an diesem schrecklichen Winterabend in diese eiskalte Ecke der Welt verschlagen hat?« Ein Anflug vorsichtiger Zurückhaltung in Stokers Stimme machte aus der Anfrage etwas mehr als nur müßige Neugier.
Sparks und Doyle schauten sich an. »Diese Frage würden wir Ihnen auch gern stellen«, sagte Sparks ruhig.
Es folgte eine kurze Stille, in der sie einander abschätzten und in der Stoker das, was er in Sparks zu suchen schien, offensichtlich fand.
»Ich kenne einen Pub«, sagte er, »in dem wir uns ans Feuer setzen und etwas angenehmer über unsere beiderseitigen Interessen reden könnten.«
Ein halbstündiger Fußmarsch durch den sich verdichtenden Sturm brachte sie ins Rose und Thistle, ein Lokal im Zentrum der Ortschaft am Ufer des Esk. Der Schnee fiel nun so rasch, daß er zwischen den im Kanal liegenden Felsen verbindende Plätzchen schuf. Heißer Kaffee, mit irischem Whisky gewürzt, wärmte ihre Hände, als die drei Männer vor der Glut des endenden Nachmittags die Kälte von sich abschüttelten. In den ersten Minuten nach ihrer Ankunft im Lokal hatten sie zunächst eine Menge belanglosen Tratsch über diverse wohlbekannte oder anderweitig berüchtigte Theatermimen über sich ergehen lassen müssen. Welch ach so frevelhaftes, melodramatisches Privatleben diese Leute doch alle führen müssen, dachte Doyle bei sich. In dem Vakuum der ersten Gesprächspause kam Stoker, eingeleitet durch einen deutlichen Wechsel des Tonfalls, der nun leiser, vorsichtiger und hypnotisch wurde, zum Thema.
»Wie Sie sicher wissen, Mr. Sparks, ist die Welt des Theaters eine unheimlich kleine Gemeinschaft - in diesen Teich fällt kein Stein, ohne daß man auf der anderen Seite nicht sofort die Wellen bemerkt, die er erzeugt -, wobei das meiste, worüber man sich das Maul zerreißt, so vergänglich ist wie ein Eimer Garnelen in der Mittagssonne. Und da es immer irgendeinen sensationellen, aktuellen Tratsch als Mahlkorn für die Gerüchteküche gibt, erfordert es viel mehr als die übliche Kost, um das Interesse eines Menschen einzufangen, wenn es einen einzelnen Abend betrifft, geschweige denn, man will jemanden in den Zustand mehr oder weniger großer Aufregung versetzen. Theatermimen lieben ihren Klatsch, aber in der Regel ist der von gestern heute schon nicht mehr gefragt.«
Stoker hatte seine Bühnenjahre nicht als Müßiggänger verbracht: Es gelang seiner Vortragsweise, aus jeder Pause und Nuance maximale Effekte herauszuholen. Das Ergebnis fiel so spontan aus und war im Grunde genommen dazu angetan, daß man ständig etwas Wichtiges erwartete und der Zuhörer mühelos überzeugt wurde, sich selbst in die schlauen Hände des Geschichtenerzählers begeben zu haben. Doyle stellte fest, daß er es kaum erwarten konnte, den Mann mit Fragen zu traktieren, aber er fing eine Geste von Sparks auf, blieb geduldig und hockte sich in unruhiger Erwartung auf den Rand seines Stuhls.
»Vor etwa einem Monat machte in meiner kleinen Welt eine gewichtige Geschichte die Runde, und nicht viel später erreichte sie an einem Abend im grünen Raum des Lyceum Theatre meine Ohren. Selbst wenn man die Entstellungen und typischen Ausschmückungen abzieht, die jeder Geschichte anhaftet, die einen um mehrere Ecken erreicht, befand sich in ihrem Zentrum ein so beharrlicher, ursprünglicher Kern von geheimem Einverständnis und Ränke, daß sie die absolute Beherrschung meiner Aufmerksamkeit erforderte.«
»Was war es?« platzte Doyle heraus. Sparks gestikulierte in Doyles Richtung, ohne ihn anzusehen; versuchte dessen Eifer sacht zu dämpfen.
»Mir kam zu Ohren«, nahm Stoker den Faden wieder auf, »daß ein gewisser Gentleman aus hohen Kreisen - der namentlich nicht genannt wurde - durch eine Reihe obskurer Mittelsmänner gewisse Angehörige eines Provinz-Ensembles - professionelle Schauspieler, die man ebensowenig kennt - in seinen Dienst genommen hatte, um ein neu inszeniertes Stück in einem Londoner Privathaus zu geben. Es handelte sich jedoch um kein Stück, das je auf der Bühne aufgeführt worden war; es war eine Neuschöpfung. Es sollte nur einmal gespielt werden und dann nie wieder für ein Publikum, das nur aus einem Menschen bestand. Außer einer rein verbalen gab es keinerlei vertragliche Abmachung. Nun können wir uns fragen, was hat diese Schauspieler motiviert, einen dermaßen
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