Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
Vom Netzwerk:
einem Glas Holunderbeerwein die Neuralgie einer Witwe zu besprechen. »Lassen Sie sich nur Zeit.«
    »Ich bin ... Ich bin ...« Der Mann holte tief Luft, fing sie ein, hielt den Atem an, kämpfte mit sich, als es heiß in ihm vibrierte, würgte sie schließlich - was man deutlich sah - hinunter und entließ sie dann wie in einer Explosion aus seiner Kehle: »... nicht der Koch!«
    Der Klang seiner eigenen Stimme schien ihn zu entsetzen, denn seine Lippen formten sich zu einem verwunderten O.
    »Sie sind nicht der Koch«, wiederholte Sparks, um die Sache klarzustellen.
    Der Mann schüttelte zur Bestätigung heftig den Kopf. Dann, als er den Eindruck gewann, sich möglicherweise mißverständlich ausgedrückt zu haben, nickte er ebenso heftig und äußerte eine anschwellende Melodie schwerfälliger Pruster, Schnaufer und Röchler, da er eindeutig noch nicht fähig war, eine weitere Attacke auf seine Artikulationsfähigkeit durchzustehen.
    »Hat Sie jemand ... mit dem Koch verwechselt?« fragte Doyle verständnislos.
    Der Mann ächzte äußerst unglücklich und schüttelte erneut den Kopf. Seine Hängebacken schlackerten wie Aspik.
    »Machen wir es zweifelsfrei klar«, sagte Sparks, wobei er Doyle einen komplizenhaften Blick zuwarf, »daß wir alle von der gleichen Begriffsbestimmung ausgehen: Sie, Sir, sind ganz eindeutig nicht der Koch.«
    Die Logik von Sparksʹ Erwiderung schien einen Stopfen in das durchlöcherte Jammerfäßchen des Mannes zu treiben, sein Wasserwerk trocknete aus. Sein bebendes Fleisch kam allmählich zur Ruhe. Er blickte nach unten und wirkte tatsächlich fassungslos, als er die Sauciere in seinen schinkengroßen Händen erblickte. Und dann, als sei diese Entdeckung das normalste von der Welt, fing er langsam an, sie weiterzupolieren.
    »Wie heißen Sie, guter Mann?« fragte Sparks sanft.
    »Ruskin, Sir«, erwiderte der Mann.
    »Dann kann ich wohl davon ausgehen, Ruskin«, sagte Sparks, »daß Sie gegenwärtig in den Diensten dieses Hauses stehen.«
    »Ich bin der Butler, Sir«, sagte Ruskin nicht ohne einen Anflug von Stolz. »Mir unterstehen die Speisekammer, die Tafel und die Spülküche. - Habe mich von der Pike auf hochgedient. War vierzehn, als ich ins Haus kam. Der Herr und ich sind - sozusagen - miteinander aufgewachsen.«
    »Warum polieren Sie das Silber, Ruskin?« fragte Doyle leise. »Einer muß es doch tun, Sir, nicht wahr?« erwiderte Ruskin gelassen. »Ist doch sonst niemand hier, oder?«
    »Der Koch bestimmt nicht«, sagte Sparks, der ihm eine goldene Brücke bauen wollte.
    »Nein, Sir. Der Koch ist ein ziemlich schlimmer und fauler Patron. - Ein
Pariser«,
sagte Ruskin, als sei damit alles erklärt. »Hat keine Disziplin. Drückt sich, wo er nur kann. Hat meiner Meinung nach nie gelernt, daß man für seinen Lohn auch etwas leisten muß. Ohne ihn sind wir besser dran. Wenn ich offen sein darf: Man muß sich diese Faulpelze vom Halse schaffen.«
    »Dann müssen Sie jetzt also auch kochen«, sagte Sparks und nickte Doyle zu, da er der Verzweiflung des Mannes nun auf die Spur zu kommen schien.
    »In der Tat, Sir. Das Menü wurde schon vor Wochen festgelegt. Ich hab es sogar für die Gäste drucken lassen.« Er klopfte auf seine Hosentasche und beschmierte sich dabei mit Poliermittel. »Muß noch irgendwo ein Exemplar davon haben.«
    »Ist schon in Ordnung, Ruskin«, sagte Sparks.
    »Ja, Sir«, sagte Ruskin. »Es ist auch ein tolles Essen.« Seine Augen zeigten einen geistesabwesenden Ausdruck, der Doyle an einen gefährlichen Geisteskranken erinnerte. Aber vielleicht war es auch nur das Nachdenken über die Speisenfolge, das ihn so abschweifen ließ.
    »Aber es gibt ein Problem mit dem Dinner, nicht wahr?« fragte Sparks.
    »Wir sind im Moment leider personell ein wenig unterbesetzt, und jetzt, wo der Koch weg ist, bin ich, fürchte ich, wohl etwas überfordert...«
    »Mit dem Kochen«, sagte Doyle hilfreich.
    »Genau, Sir. Ich habe vor, mich sofort um das Essen zu kümmern ... sobald ich meinen anderen Pflichten nachgekommen bin. Es steht noch eine Menge Arbeit an, und man braucht viel Zeit für das Essen, aber ich habe das Menü auswendig gelernt, damit nichts verwechselt wird«, sagte Ruskin und klopfte wieder geistesabwesend auf seine Hosentasche. »O je, o je, ich habe meine Uhr verlegt.«
    »Viertel vor neun«, sagte Doyle.
    »Viertel vor neun, Viertel vor neun«, wiederholte Ruskin, als sei ihm allein die Vorstellung von Zeit völlig fremd. »Die Gäste kommen gleich ... Ach,

Weitere Kostenlose Bücher