Sieben
etwas an ihrem silbrigen Farbton und der öligen Zusammensetzung drehte ihnen fast den Magen um.
»Die Leiche riecht noch nicht«, sagte Doyle. »Die Verwesung hat noch nicht eingesetzt.«
Sparks musterte den Toten mit eindeutiger Neugier, dann knieten sie neben ihm nieder. Seine Kleider glitzerten wie poliert, auch sie waren mit dem merkwürdigen Rückstand bedeckt. Als sie ihre Hände unter den Leichnam legten und ihn umdrehten, erwies er sich als geradezu schockierend leicht - als wiese er fast keine Masse auf. Dann sahen sie auch den Grund: Sein Gesicht war mumifiziert, nur die Wangen waren noch von einer papierenen Hautschicht bedeckt. Die Augenhöhlen waren leer, eingesunken, die Hände so feinadrig skelettiert wie eine getrocknete Blume in den Seiten einer Familienbibel.
»Haben Sie so etwas schon mal gesehen?« fragte Sparks.
»Nur bei Menschen, die schon zwanzig Jahre tot sind«, erwiderte Doyle. Er untersuchte den Toten eingehender. »Als wäre er präpariert worden. Mumifiziert.«
»Als hätte man ihm das Leben förmlich aus den Knochen gesaugt.«
Sparks drückte auf die geballte Faust des Toten, die er in der Hand hielt. Sie zerbarst in tausend staubende Stücke, wie brechendes Filigran aus erstarrter Spitze.
»Was könnte so etwas hervorrufen?« sagte Doyle mehr zu sich selbst.
Hinter ihnen, vor der Box, bewegte sich eine Gestalt.
»Was ist denn, Barry?« fragte Sparks, ohne sich umzudrehen. »'ne Sache, die Sie sich mal ansehen sollten.«
Sie verließen die Box und folgten Barry ins Freie. Er deutete auf das Dach des Landhauses. Ein dünner Rauchfaden stieg aus dem höchsten Schornstein auf.
»Hat vor etwa fünf Minuten angefangen«, sagte Barry. »Dann lebt da drin also noch jemand«, sagte Doyle.
»Gut. Klingeln wir und melden uns an.«
»Halten Sie das für klug, Jack?«
»Nachdem wir diese lange Reise gemacht haben? Ich möchte unseren Gastgeber nicht enttäuschen.«
»Aber wir wissen doch gar nicht, wer da drin ist, oder doch?«
»Es gibt nur eine Möglichkeit, es zu erfahren«, sagte Sparks und schritt zielgerichtet auf das Haus zu.
»Aber alle Fenster und Türen sind doch verrammelt.«
»Für Barry ist das kaum ein Hindernis.«
Sparks schnippte mit den Fingern. Barry tippte an seinen Hut, lief voraus, hangelte sich in Windeseile an der Hausfassade hoch, suchte in den Fugen der Ziegel Halt für Hände und Füße und kletterte mit der Gewandtheit einer Spinne zum zweiten Stock hinauf. Er zog ein Brecheisen aus dem Mantel, hatte Sekunden später ein Fenster aufgebrochen und zog sich in den dahinterliegenden Raum hinein.
Doyle war starr vor Angst, als er sich ausmalte, welches Grauen in dem Haus möglicherweise auf den kleinen Mann wartete. Sparks zog gelassen einen Stumpen aus der Jacke, entzündete ein Streichholz an seinem Daumennagel und steckte ihn an, ohne seinen kühlen Blick vom Hauseingang zu nehmen.
»Kann nicht mehr lange dauern«, sagte er.
Hinter der Tür vernahmen sie eine Bewegung. Das rauhe Kratzen eines schweren Gegenstandes, der über einen gefliesten Boden gezogen wurde. Dann das Öffnen eines Schlosses. Kurz darauf erschien Barry im Haupteingang, und sie betraten Topping.
Im Bereich der Tür, die Barry nun vernünftigerweise hinter ihnen verschloß, waren Tische und Stühle aufgestapelt. Loses Papier und Abfälle bedeckten den Boden der großen Halle. Ein dekorativer Haufen Waffen lag besiegt und zerbrochen auf den schwarzweißen Fliesen. Da kein Tageslicht durch die verhängten Fenster drang, war die Luft finster und abgestanden. Blicke in die weiträumigen Gesellschaftsräume, die zu beiden Seiten des Eingangs lagen, enthüllten keine wesentlichen Beschädigungen, sondern nur Durcheinander und Vernachlässigung.
»Tja, ich würde sagen, die Silvesterparty ist eindeutig abgesagt«, sagte Sparks und schnippte die Zigarrenasche ab.
»Da is 'n Gentleman oben in 'nem Gang«, sagte Barry zaghaft und deutete auf die große Treppe vor ihnen.
»Was macht er da?« fragte Doyle.
»Sieht aus, als würd er Silber polieren.«
Sparks und Doyle schauten sich an.
»Sieh dich doch mal hier unten um, Barry«, sagte Sparks und ging, jeweils zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinauf.
Barry nickte und verschwand in einem der Nebenräume. Doyle stand nun allein am Fuße der Treppe.
»Und was ist mit mir?« fragte er.
»Ich würde nicht gern allein hier herumlaufen«, antwortete Sparks, der inzwischen oben angekommen war. »Wer weiß, von was man hier angefallen
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