Sieben
für Doyles Freundlichkeit. Sein Mund war schlaff, sein Kinn zitterte und kündigte eine neue Tränenflut an.
»Geben Sie mir jetzt Ihre Hand, Ruskin. Ich helfe Ihnen auf ... Los geht's.«
Doyle mußte seine ganze Kraft zusammennehmen, bis es ihm gelang, den armen fiebernden Teufel hochzuwuchten. Ruskin wankte wie ein Kegel, der gerade den harten Stoß einer Kugel abbekommen hatte. Doyle fragte sich, wie lange der Mann schon hier saß. Er zog eine Phiole aus der Tasche, bat Ruskin, eine Hand auszustrecken, und schüttete vier Tabletten in seine riesengroße Pranke.
»Nehmen Sie die mit Wasser, Ruskin. Sie sind gut zum Einschlafen. Versprechen Sie mir, daß Sie tun werden, was ich Ihnen gesagt habe.«
»Ich verspreche es«, sagte Ruskin mit der ernsten Fügsamkeit eines Kindes.
»Also gehen Sie jetzt«, sagte Doyle, reichte ihm die Kerze und klopfte ihm auf die Schulter. Der Stoff seines Hemdes fühlte sich klamm an.
»Also gehe ich jetzt«, echote der Butler in freudloser Mimikry. Seine schlurfenden Schritte in dem leeren Korridor erinnerten Doyle an einen mit Fußeisen versehenen, altersschwachen Elefanten, den er einst bei einer Zirkusparade gesehen hatte. Nachdem Ruskin aus seinem Blickfeld verschwunden war, nahmen Doyle und Sparks den gleichen Weg durch den Korridor, den sie gekommen waren.
»In einem können wir uns sicher sein«, sagte Sparks. »Ruskin hat nicht das Loch in den Wall gehauen. Er könnte nicht mal die Haut eines Reispuddings abschlagen.«
»Ich glaube, er hat das Haus seit Wochen nicht mehr verlassen. Er ist wahrlich ein treuer Diener seines Herrn.«
»Und wie es scheint, auch sein einziger. Als dieses Haus seine Hochblüte erlebte, haben hier dreißig Menschen gearbeitet. Momentan wirkt es nicht gerade einladend, nicht wahr?«
Als sie den Kreuzweg erreichten, kam Barry die Treppe hinauf.
»Das Haus is leer«, sagte er. »Alles verrammelt. Küche sieht grauenhaft aus. Hab bis zu 'n Knien in Kartoffelschalen gestanden, aber vom Abwasch hält hier keiner was.«
Kürzer angebunden als sein Bruder ist er auch, dachte Doyle. »Zweifellos das Werk des beklagenswerten Ruskin«, sagte Sparks.
»Zwei Sachen sind komisch«, fuhr Barry fort. »Jemand hat Salz in alle Gänge und auf alle Türschwellen geschüttet...«
»Und zweitens?«
»In der Speisekammer neben der Küche is 'ne falsche Wand. Dahinter is 'ne Tür ...«
»Die wohin führt?«
»Hab sie ohne mein Werkzeug nich aufgekriegt. Unten an der Treppe, wo's so riecht...«
»... geht's zum Keller?«
»War schon im Keller. Das is kein Keller. Und unter der Tür zieht so 'n komischer Wind her ...«
Sparks zeigte großes Interesse. »Hol deine Taschen aus der Kutsche, Barry. Und dann mach die Tür auf.«
Barry lüpfte seinen Hut und eilte die Treppe hinunter.
»Wenn wir also übereinstimmen, daß Ruskin im Haus war und es nicht schaffen konnte ... Wer dann hat das Loch in den Wall gehauen?« fragte Doyle, als sie den Weg durch den Korridor wieder aufnahmen.
»Unser verstorbener Freund aus dem Stall, der Lakai«, sagte Sparks und reichte Doyle ein Stück Papier. »Er heißt Peter Farley und war geschäftlich unterwegs. Hat vier Pferde vom Familienbesitz in Schottland nach Topping überführt.«
»Was ist das?« fragte Doyle und faltete das Papier auseinander.
»Ein Lieferschein: Eine Liste mit den Namen der Pferde und ihrer Beschreibung sowie ihrer Atteste. Unterzeichnet von Peter Farley, wahrscheinlich der Tote. Ich habe ihn in einem Mantel gefunden, der im Schlafzimmer des Stallknechts an einem Kleiderhaken hing. Farley kommt - so stelle ich es mir vor - vor ein paar Tagen mit den Pferden zurück. Man hat den Wall in seiner Abwesenheit errichtet. Für ihn ist in seinem Heim eindeutig der Wahnsinn ausgebrochen. Er muß sich nach einem harten Ritt um vier Pferde kümmern und sie füttern, und vielleicht arbeitet sogar seine Frau hier im Haus. Er muß also eine Möglichkeit zum Einstieg finden.«
»Also hat er sich eine Gasse gehauen, statt über den Wall zu steigen.«
»Obendrauf wimmelt es von Glasscherben, was nicht sehr ermutigend ist. Und vergessen Sie nicht die Dimensionen des Loches.«
»Gerade so hoch und breit, daß ein Pferd hindurchpaßt.«
»Er muß fast einen ganzen Tag dafür gebraucht haben. Er mußte die Pferde schnell hineinbringen. Es sind ziemlich viele tiefe Hufabdrücke rings um den Eingang.«
»Irgend etwas hat sie in Angst versetzt. Etwas, das sich ihnen näherte.«
»Leider hat das Tor, das er
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