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Sieben

Sieben

Titel: Sieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Frost
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irgendeinem herkulischen Ideal gestärkt. Welch ein Ort! Welch eine Stadt, welch dynamische menschliche Rasse! Erst als ein ambrosisches Flambeau aus Kirschen, Baiser und Vanilleeis vor ihnen abgesetzt wurde, sank der schwerelose Ballon der ungeteilten Freude Doyles allmählich wieder in den Bereich bewußter Beachtung. Das Dinner war noch nicht zu Ende, und schon kam es ihm wie ein Traum vor. Er wußte, sobald die Diskussion, die bis zum gigantischen Dessert so sorglos wie der Montag eines Geistlichen gewesen war, sich wieder dem Leben zuwandte, das sie außerhalb dieses klösterlichen Olymps erwartete, würde man ihm die Rechnung in mehr als einer Hinsicht präsentieren.
    Die letzten Teller wurden abgeräumt. Sparks steckte sich eine Zigarre an und wärmte den honigfarbenen Nektar seines Brandys über einer Kerze. »Und nun ...«, sagte er,»... zu meinem Bruder.«
    Doyle hatte zwar nicht erwartet, daß Sparks mit einem As eröffnen würde, aber er war mehr als bereit, von dessen Offenheit anzunehmen, was er bekam. Er nickte, verriet keine Ungeduld, konzentrierte seinen Geist erneut und wiegte den Benediktiner besinnlich in seinem Schwenker.
    »Ist es nicht beunruhigend, daß der
corpus
der menschlichen Hoffnung so unmittelbar mit der Vorstellung des gesellschaftlichen Fortschritts verknüpft ist?« fragte Sparks. Sein Tonfall war offen und einladend, seine Worte waren nicht im geringsten rhetorisch gemeint. Was diese Folgerung allerdings mit Sparks' Bruder zu tun hatte, nun, Doyle hatte weitaus quälendere Abschweifungen mit wesentlich weniger Hoffnung auf eine Rückkehr zum Thema ertragen als diese.
    »Ja, Jack, das finde ich auch«, sagte er, bereit sich der Herausforderung zu stellen. »Ich schaue mich in diesem goldenen Raum um. Das Vergnügen, das er mir bereitet; all die netten, stattlichen Menschen; die Mahlzeit, die wir uns gerade haben munden lassen ... Und ich bin verlockt zu sagen: Dies ist das Beste, was die Zivilisation uns zu bieten hat. Die Früchte der menschlichen Bildung, des wissenschaftlichen Fortschritts, der sozialen Evolution.
    Doch es sind vergängliche Befriedigungen. Illusionen. Und wie winzig ist doch der Anteil der in unserer Welt lebenden Menschen, den wir repräsentieren. Während wir uns unserer Vornehmheit rühmen, erleiden, keinen Steinwurf von hier entfernt, zahllose Menschen ein so schreckliches Elend, wie keiner es je hat ertragen müssen. Und ich sehe mich gezwungen, mich zu fragen: Wenn so viele draußen bleiben müssen - sind unsere Errungenschaften dann überhaupt etwas wert? Welche Werte schreibt unser persönliches Dasein überhaupt fest? Welches Geschenk - falls überhaupt - läßt unser Zeitalter denen zurück, die nach uns kommen?«
    »Es steht uns nicht zu, diese Frage zu beantworten«, erwiderte Sparks. »Die Generationen, die nach uns kommen, werden schon ihre eigenen Schlüsse über unsere Beiträge ziehen. In welcher Form erinnert man sich denn an vergangene Epochen? Denkt man an die Arbeit menschlicher Hände oder an die des menschlichen Geistes? Die Elizabethaner haben uns eine Dichtkunst hinterlassen, die zu uns etwas sagt, weil wir eine gemeinsame Sprache sprechen. Die Ägypter haben die Pyramiden erbaut, aber ihre geheimen Gedanken kennen wir nicht. Ihre größten Entdeckungen wird man vielleicht niemals nachvollziehen können. Vielleicht ist es einfach eine Frage dessen, was überlebt.«
    »Aber was ist denn wichtiger? Wird man unser Zeitalter anhand unserer Monumente, Brücken und Bahnhöfe oder anhand unserer Wissenschaft und Künste beurteilen?«
    »Unser zunehmendes Wissen in der Medizin hat sicherlich dazu beigetragen, das menschliche Leben zu verlängern«, sagte Sparks.
    »Ja, aber die Umstände der uns aufgezwungenen Entwicklung haben die meisten dieser Entdeckungen erforderlich gemacht. Ich stelle zwar nicht in Abrede, daß die Vorteile und Bequemlichkeiten des Lebens für manche - vielleicht sogar für viele - in der Mehrzahl durch die Dinge erhöht werden, die wir nun in Massen produzieren können. Aber wenn man sie gegen ihre Kosten aufrechnet, die Nebenprodukte der Industrie? Unmenschliche Arbeitsbedingungen, Verwüstung der Erde, vergiftete Luft. Ohne den medizinischen Fortschritt würden die meisten von uns unser ›Wachstum‹ nicht lange überleben. Und welchen Wert hat es für viele der überlebenden Unterklassen, selbst wenn es ihr körperliches Leben verlängert, wenn dieses Plus ihr Dasein der Freude und Güte beraubt oder der Zeit, die

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