Sieben
Früchte ihrer Arbeit auch zu genießen?«
»Vom Leiden der Unglücklichen einmal abgesehen - denn schließlich leiden alle Menschen, jeder auf seine Weise und nach seinem eigenen Maß -, sieht es nicht eindeutig so aus, als hätte uns die Wissenschaft an den Scheitelpunkt einer neuen Epoche gebracht? Denken Sie an die wunderbaren Erfindungen, von denen man sagt, daß wir sie bald genießen werden: Strom in jedem Haus, das Automobil. Telefon, Schreibmaschine. Bessere Kommunikation, Reisefreiheit. Wärme und Licht zu Hause. Und die Bildung vertreibt die Unwissenheit.«
»Sie nehmen an, daß die Einführung dieser neuen, befreienden Dinge, die ihr Für und Wider haben, bestimmte beharrliche Eigenschaften des menschlichen Charakters von Grund auf ändern werden.«
»Welche Eigenschaften meinen Sie?«
»Den Willen, Macht zu erringen. Die Raffgier. Den Instinkt, sich auf Kosten anderer ein schönes Leben zu machen.«
»Den Überlebensinstinkt«, sagte Sparks, als führe Doyle ihn genau dorthin, wo er hinzugehen wünsche. »Die Versicherung, daß die Starken überleben.«
»Auf Kosten der Schwachen.«
»Genau wie in der Natur. Das Leben als Wettstreit, Doyle. Als Kampf um Luft und Licht, um starke, attraktive Gefährten für die Paarung, um Raum und Nahrung. Die Natur sagt ihren Komponenten nicht ›Das Leben erfordert eure Aggression nicht, denn ich, die Erde, habe euch mit einem Überfluß an Reichtümern versorgt‹«, sagte Sparks ungestüm und trommelte mit den Fingern, so daß die Gläser auf dem Tisch klapperten.
»Doch wenn das Menschentier die gleichen starken Impulse auslebt wie alle anderen im Reich der Natur ...«
»Herrschaft. Unterdrückung. Materielle Gier. Die Wurzeln des menschlichen Übels.«
»Da stimmen wir überein«, sagte Doyle.
Sparks nickte, seine Augen brannten vor Offenheit. »Es ist unausweichlich. Der Mensch ist gezwungen, dem Instinkt des Herrschens zu gehorchen, weil wir unter dem unbewußten Befehl stehen, zu überleben. Und diese Botschaft ist so überzeugend und gebieterisch, daß sie sich über jeden anderen biologischen Impuls hinwegsetzt: Mitleid, Liebe und alle anderen Nettigkeiten, die den Privilegierten in diesem Raum heilig sind. Und zwar auch noch dann, wenn unsere körperliche Unversehrtheit garantiert und jede ernsthafte Bedrohung unserer Existenz vollständig eliminiert ist.«
»Dann ist es ein Paradox«, sagte Doyle. »Ist der Lebenswille des Menschen die größte einzelne Gefahr für unser Überleben?«
»Wenn die menschliche Natur nicht bald beweist, daß sie die Fähigkeit hat, den Kurs willentlich zu ändern, ist sie auf dem besten Wege dazu«, sagte Sparks. Er beugte sich vor, seine Stimme wurde leiser, und er schaute Doyle fest an. »Zum Beleg schildere ich Ihnen das Leben von Alexander Sparks. Er wurde in einem reichen Elternhaus geboren, als erstes und geliebtes Kind, und er erfreute sich in seiner Kindheit aller Bequemlichkeiten und Zuwendungen, die ein Mensch sich nur wünschen kann. Er wurde vorbildlich genährt und beschützt und lebte in einer Welt der Privilegien und Besitztümer, die ihm so offenstanden wie die Blütenblätter einer Nachtkerze. Ziemlich frei von diesen Einflüssen beweist der Junge recht bald einen bemerkenswert sturen Charakter. Unersättliche Neugier. Den Intellekt eines kalten und berechnenden Genies. Einen eisernen Willen. Er ist nach Ansicht aller ein außergewöhnliches Kind.
In den ersten Lebensjahren ist er sich der Launen des Glücks, denen das Fleisch unterworfen ist, glücklicherweise noch nicht bewußt. Da sein Vater am anderen Ende der Welt im diplomatischen Dienst arbeitet, wächst der Junge in der Gesellschaft von Frauen heran, die nichts anderes wollen, als all seinen Launen nachzugeben und sie zu erfüllen. Der in der Mitte des ihn anbetenden Kreises eingefaßte Edelstein ist seine Mutter eine gefeierte Schönheit, eine Frau mit Stil, starkem moralischem Charakter und hoher Intelligenz. Sie ist die Sklavin des Jungen, sie unterwirft sich ihm, kennt keine Grenzen. Er gewinnt den Eindruck, von Gott auserwählt zu sein, ein kleiner Sonnenkönigffder die absolute Macht über ein Reich hat, das sich, so weit das Auge reicht, in alle Richtungen erstreckt. Ein Junge, der durch die Wälder seines Landsitzes streift und nicht nur das Gefühl hat, die Menschen in seiner Umgebung, die er für seine Untertanen hält, zu befehligen, sondern auch den Wind, das Wasser und die Bäume. Seine Welt ist ein Paradies, und er ist der
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