Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
Vom Netzwerk:
wohlverdiente
Anerkennung seiner Exegese gebracht. Aber das war es nicht allein. Bruder Kater
seufzte, als er durch das Gartentor schritt. Die Begebenheit hatte ihm aufs
neue gezeigt, daß er mit seinem Namen nicht zurechtkam, unverhältnismäßig
scharf auf Katzen reagierte und auf Kinder, die seine Schwäche aufzuspüren und
auszunutzen wußten.
    »Mijau-jau-jau!« Was mußten seine Ohren
hören? Einen Katzenschrei von Menschenmund hervorgebracht. Samuel Kater schoß
das Blut zu Kopf. Er duckte sich wie zum Sprung, machte kehrt und sah den
Missetäter von vorhin durch die Hecke lugen, die Lippen zu erneutem Schrei
gespitzt. Da ließ sich Bruder Kater zu einer Handlung hinreißen, die ihm eine
gewisse Erleichterung verschaffte, Michael aber zutiefst entsetzte. Er öffnete
den Mund, blökte »bäh« und streckte dabei die Zunge weit heraus. Michael blieb
das vorgesehene »Miau« im Halse stecken. Erst Monate später erzählte er uns von
dieser Begebenheit.
    »Menschenskinder, mich hat’s fast
umgehaun! Das macht man doch nicht als Erwachsener. Widerlich!« Vorerst aber
schwieg er darüber und erhob seine Stimme beim Nachtessen, nicht etwa, um von
Bruder Kater zu berichten oder gar Scham und Reue zu bekunden, nein, er teilte
der Familie lediglich mit, er gedenke den Abend bei Freund Heini zu verbringen,
um mit diesem für die bevorstehende Lateinarbeit zu büffeln. So sprach er und
zuckte dabei nicht mit der Wimper. Wir Geschwister sahen es mit Bewunderung,
wußte doch jeder von uns, daß Michael niemals für eine Klassenarbeit zu büffeln
pflegte, weder zu Hause noch bei Freunden.
    Weil aber Mutti den Kampf ums Lernen alleine
ausfocht, auch niemals etwas Nachteiliges über ihren Ältesten verlauten ließ,
mußte mein Vater annehmen, der brave Sohn würde tatsächlich bis tief in die
Nacht hinein lernen.
    Diesmal aber neigte er nicht freudig
zustimmend das Haupt, nein, er schüttelte dasselbe und sprach: »Leider,
Michael, geht es heute nicht, denn du darfst deinen Freund Heini nicht
anstecken, bedenke, wie anfällig er ist.«
    »Aber ich hab’ doch nichts!« rief
Michael. »Ich bin mopsfidel.«
    »Das täuscht«, sagte Vater, »du mußt
starke Halsschmerzen haben, mein Sohn, denn deine Zunge ist belegt. Ich hatte
Gelegenheit, sie heute nachmittag zu betrachten. Darum schlage ich vor, daß du
sofort das Bett aufsuchst, dort kannst du in Ruhe deine Lateinarbeit bedenken
und noch so manches andere dazu.« Seine Stimme hatte sich nur wenig gehoben,
aber sein Blick schoß scharf in Richtung des Sohnes und seine Hand ruhte
geballt auf dem weißen Tischtuch.
    Michael erhob sich unverzüglich, denn
des Vaters Blick verhieß nichts Gutes, dann aber mäßigte er sein Tempo und ging
gemessenen Schrittes zur Tür, um die Geschwister nicht durch eine überstürzte
Flucht zu erfreuen.
    »Wie du willst, liebe Luise«, sprach er
und verließ das Zimmer.
    Bei der »lieben Luise« sprang Vater
zornig auf, doch Mutti zog ihn sanft hinunter auf seinen Platz.
    »Wir haben das Dankgebet noch nicht
gesprochen.«
     
    Auch seinen Geschwistern bot er
mancherlei Anlaß zur Klage. Er jagte uns um den großen Eßzimmertisch und zwang
den Unglücklichen, welchen er gefangen, einen Löffel Lebertran zu essen. Er
stahl meine Puppen, schleppte sie auf den hohen Birnbaum und setzte sie dort
auf schwankende Aste, von denen sie angstvoll hernieder starrten. Zwar mußte
er, weil Tante Friedel seine Untat mitangesehen, Puppe für Puppe wieder
herunterbringen, aber sie hatten einen tiefen Schock erlitten, ich auch.
Marschierten wir Geschwister dann zu Mutti und klagten über das Unheil, was uns
durch diesen Bruder widerfahren, dann schüttelte sie betrübt den Kopf: »Aber,
aber, wer wird denn petzen!«
    Und gesellte sich Michael dazu, ein
unschuldsvolles Lächeln auf den Lippen, und stürzten wir uns wutentbrannt auf
ihn, dann teilte er nicht, wie er sonst zu tun pflegte, reichlich Schläge und
Knüffe aus, nein, er stand da mit hängenden Armen, das Gesicht leidvoll
verzogen. »Sieh nur, wie sie mich schikanieren. Was ich erdulde Tag für Tag!«
    Schon schloß sie das arme, verkannte
Kind in die Arme, uns aber schickte sie mit strengem Blick in die Verbannung.
    So also war das gewesen mit Michael,
der nun die Hände rang über die mißratene Jugend von heute und nicht das
geringste mehr wußte aus seiner eigenen schwarzen Vergangenheit. Jedoch, es gab
auch einige Lichtblicke in dieser, man mußte nur lange genug danach suchen.
    Kam uns kleinen

Weitere Kostenlose Bücher