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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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eine Karte in
petto, einen Trumpf, den er nunmehr auszuspielen gedachte, um die allgemeine
Stimmung zu heben und das Spiel zu seinen Gunsten zu wenden.
    »Leute«, sprach er, »es ist etwas
länger geworden als geplant. Ich gebe es zu. Aber der Harz ist auch größer, als
ich dachte, und frische Luft kann niemandem schaden. Also seid friedlich. Ich
habe noch eine besondere Attraktion für euch. Wir fahren zu einer Stelle, wo
man Hirsche sehen kann. Lebende, echte Hirsche in freier Wildbahn. Nun, was
sagt ihr dazu?«
    »Ohne mich!« Fränzchen und Jette riefen
es wie aus einem Munde, verstummten alsbald und schauten sich verdutzt an, da
sie zum ersten Mal gleiches gedacht und gleiches ausgesprochen hatten.
    »Mir langt’s, Michael!«
    Stefan hatte seinen Wubbel ein gut Teil
des Weges tragen müssen, und die Vorstellung, ihn jetzt noch hinter
irgendwelchen Hirschen herzuschleifen, wollte ihm gar nicht behagen. Die
Rockerbraut sprang dem erschöpften Ehemann bei.
    »Der Wubbel muß ins Bett!« erklärte sie
mit Bestimmtheit.
    »Wir auch!« rief Klaus-Peter, und Gitti
fügte erläuternd hinzu: »Mir ist nämlich kalt, und Klaus-Peter hat eine Blase
am Fuß!«
    Aber der Wubbel, Andreas und Mathias hatten
das Wort »Hirsche« vernommen. Es spukte bereits in ihren Köpfen herum, gaukelte
ihnen köstliche Erlebnisse bei Dunkelheit im Walde vor, und sie waren nicht
willens, auf all diese Herrlichkeiten zu verzichten, nur weil Tante Fränzchen
keine Lust und Onkel Klaus-Peter eine Blase hatte. Sie bettelten und flehten.
Wubbel umfaßte Christophs Knie.
    »Ontel Piffpoff, bitte, bitte!«
    Andreas wandte sich hilfeheischend an
uns, seine Eltern.
    »Mutti, Vati, i hab no nie echte Hirsch
im Wald gsehe!«
    Mathias wagte sogar einen Sturmangriff
gegen die Festung Gitti — Klaus-Peter.
    »Weisch no, Tante Gitti, wie die Großi
mit uns in Zoo gange isch? Un no hat se gsagt, ›der Anblick der Tiere macht
mich ganz froh‹. Un wenn se net dot war, no tät se au mitgehe un ganz froh sei,
meinsch net, Tante Gitti?«
    »Ach, du gutes Kind, du liebes
Kerlchen, erinnerst du dich noch daran?« Hinweise auf unsere Mutter verfehlten
bei Gitti nie ihre Wirkung, stimmten sie weich, traurig und nachgiebig, und
dieser durchtriebene kleine Bursche wußte es ganz genau. Jetzt streichelte sie
ihm sogar sanft über den Struwwelkopf, wischte eine heimliche Träne aus dem
Auge und wandte sich energisch ihrem Bruder Michael zu.
    »Tu den Kindern doch den Gefallen! Sie
haben so tapfer durchgehalten! Wie kann man nur so stur sein!«
    »Gitti hat recht!« rief Klaus-Peter und
blickte streitbar in die Runde. »Denkt nicht nur an euch! Man muß den Kindern
auch eine Freude gönnen!«
    »Auf geht’s zu den damischen Hürschen!«
Christoph gab seinem Bruder Michael einen aufmunternden Schubs, da klappte der
den Mund zu, den er über dem ganzen Disput zu schließen vergessen, fuhr sich
mit beiden Händen durch die Bürstenhaare und trabte seinem Auto zu.
    Die Familie lief auseinander, die
Wagentüren knallten, und fort ging die wilde Jagd hinter Michaels Auto her.

Tapfere Söhne und
schwierige Töchter
     
     
    Auf einem Waldparkplatz hielt Michael
an und quälte sich aus seinem Fahrzeug.
    »Kommt, wir müssen nurein paar Schritte gehen. Das letzte Büchsenlicht. Beeilt
euch!«
    Es waren wirklich nur ein paar hundert
Schritte zu einer Lichtung, auf der eine kleine Hütte stand.
    »Wo, wo sind die Hirsche?«
    »Pst, still, sonst verscheucht ihr
sie!«
    Wir standen wie die Ölgötzen.
    »Hier ziehen sie immer vorbei«,
zischelte Vera, »wir haben sie schon mehrmals gesehen.«
    Aber an diesem Maiabend wollten sie
offenbar nicht ziehen. Der Wald versank in Dunkelheit.
    »Viecher, elendigliche! Kommt, gehen
wir.« Michael war zutiefst deprimiert. Heute ging auch alles schief, nicht
einmal die Hirsche wollten auftauchen.
    »Da!« schrie Vera. »Schaut, da sind
sie!«
    Dunkle Schatten zogen in der Ferne
dahin, nur zu ahnen, weil sie sich bewegten.
    »Wo?«
    »Wubbel tann’s nich sehn!« jammerte der
Kleine.
    Da preschten die schwarzen Schatten
davon. Husch, husch, weg waren sie.
    »Toll!« sagte Andreas. »Onkel Michael,
die wäret toll. I hab se au beinah richtig gsehe.«
    Wir drehten um und trotteten nach
diesem erhebenden Erlebnis zum Parkplatz zurück. Hinter uns kreischte Wubbel:
»Andreas, Mathias, tommt snell, snell!«
    Dann stiegen wir ein, und schon fuhren
wir unserer Herberge zu.
    Gitti und Klaus-Peter saßen wieder
hinter uns. Aber war am Morgen

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