Sieben auf einen Streich
Klaus-Peter!«
»Wird gemacht!« Das fürsorgliche
Familienoberhaupt wandte sich nun hin zum eigenen Auto. Ein frierendes Grüppchen
stand davor. Gitti und Klaus-Peter hatten sich ineinander verkrochen.
Vera machte Kniebeugen und forderte die
beiden auf, es ihr gleichzutun. Doch die wehrten schaudernd ab. Sie hätten
heute genug körperliche Ertüchtigung betrieben, mehr als ihnen heb wäre, und wo
denn, verflixt noch mal, Michael bliebe, damit man endlich fahren könne.
Der langte eben schnaufend an, warf
einen ärgerlichen Blick auf seine sportliche Gattin und das frierende
Jungehepaar und schnauzte: »Warum sitzt ihr nicht schon drin? Los, los, wir
wollen fahren!«
»Ohne Schlüssel konnten wir schlecht in
das Auto hineinkommen, mein Lieber«, Vera machte noch eine letzte Kniebeuge,
»mir ist es egal, denn ich kann mich warm halten, aber Gitti und Klaus-Peter
sind schon ganz starr.«
Michael griff sich an den Kopf.
»Hab’ ich euch nicht aufgeschlossen?
Himmel, das ist mir aber peinlich. Es war einfach zuviel heute.«
Er wühlte in seinen Taschen, stülpte
sie um, leuchtete mit der Taschenlampe den Boden ab. »Wo ist denn der verflixte
Autoschlüssel?«
»Was gibt’s?« Christoph steckte den
Kopf aus dem Autofenster. »Warum steigst du nicht endlich ein? Menschenskind,
ich hab’ Hunger wie ein Wolf!«
»Kein Grund zur Aufregung!« rief Vera
und machte sich wieder an ihre sportlichen Übungen. »Er kann bloß den
Autoschlüssel nicht finden.«
»Bleibt sitzen«, sagte Manfred zu uns,
»ich schau’ mal nach.«
Er stieg aus und ging zu Michael
hinüber. Florian stand bereits dort. Christoph gesellte sich dazu, schimpfte
und brummte. Sie redeten und gestikulierten und leuchteten schließlich ins Auto
hinein. Dann lachte Christoph brüllend auf und schlug seinem großen Bruder auf
die Schulter.
»Toll hast du das gemacht, Michael,
wirklich, große Klasse!«
Manfred kehrte zu uns zurück.
»Andreas, komm mal raus!«
»Was?« schrie Mathias. »Bloß der? I
net? I hab au Wach ghalte!«
Er drückte sich hinter Andreas aus dem
Auto heraus. Mich hielt es auch nicht länger.
»Was ist los?«
»Michael hat in der Aufregung vorhin
den Schlüssel stecken lassen und die Türen zugeschlagen. Jetzt kommt er nicht
in das Auto hinein. Zum Glück steht das Rückfenster einen Spalt auf. Andreas
mit seinen dünnen Armen kann vielleicht hineingreifen...«
Außer Stefan und der Rockerbraut, die
ihren Wubbel nicht mehr allein lassen wollten, stand die ganze Familie wieder
draußen.
Die Damen scharten sich um Vera,
sprachen Worte des Beileids und des Trostes.
»Ach, du armes Mädchen, was hast du
heute schon alles durchmachen müssen. Wie blöd von Michael! Sei nur nicht
sauer...«
Aber diese Vera, welche so kläglich
lamentiert, als ihr Strumpf zerrissen, die zornig Wasser und Worte um sich
gesprüht nach Florians Tarzansprung, die sich bei kleinen Unannehmlichkeiten so
bitterlich ärgern konnte, sie zeigte Gleichmut und Witz bei großen
Schwierigkeiten.
»Wo werd’ ich sauer sein! Himmel, da
hab’ ich Schlimmeres mitgemacht. Wie mir die Haustüre zugefallen ist, und ich
saß draußen ohne Schlüssel, und nur das Mansardenfenster war offen. Keine
Leiter weit und breit... Wie Klettermaxe bin ich an der glatten Wand hoch...
Kommt her, ich zeig’ euch ein paar Gymnastikübungen.«
Mit diesem Angebot beschwor sie
Fränzchens Zorn herauf, denn für Gymnastik fühlte sich Fränzchen zuständig,
lehrte sie dieses Fach doch in der Schule, war elastisch wie eine Gummipuppe
und vollführte die reinsten Heuschreckensprünge.
Auch Gitti, die sich jeden Abend eine
Zeitlang auf den Kopf stellte und ihren Körper zu den unglaublichsten
Stellungen verrenkte, denn sie hielt viel von Yoga, Gitti betrachtete Veras
Bemühungen mit Befremden, ja Widerwillen.
»Es wundert mich«, sagte sie, »daß du
in deinem Alter noch solche Sachen machst...«
»Es ist sogar gefährlich«, fügte
Fränzchen hinzu, »die Gelenke sind verkalkt. Du kannst dir einen bleibenden
Schaden zufügen. Bedenke, du gehst schon stark auf die Vierzig zu.«
Doch Vera ließ sich nicht beirren. Um
die kränkenden Worte meiner Schwester abzumildern, schloß ich mich ihren
Übungen an, ging in die Flocke und schwang die Arme, obwohl ich für meine
Person gymnastische Übungen verabscheue, besonders, wenn sie vor den Augen kritischer
Beobachter geschehen.
Mittlerweile hatte Andreas Pullover und
Anorak ausgezogen und versuchte, den bloßen Arm durch den
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