Sieben auf einen Streich
Mir
hen scho aufpaßt. Er schlaft in der Hütt, un i halt Wach!«
Die Hütte stand offen. Stefan leuchtete
hinein. Vom Wubbel sah man nur den Kopf, alles andere war sorgsam mit Heu
zugedeckt. Er schlief. Andreas saß neben ihm und blinzelte in das Licht.
»Ihr hen aber lang braucht!« sagte er
vorwurfsvoll.
Die Rockerbraut beugte sich zu ihrem
Wubbel und widerstand mit Mühe der Versuchung, ihn in die Arme zu schließen.
Sie räumte nur vorsichtig das Heu beiseite, dann hob Stefan ihn hoch. Der
Kleine öffnete nicht einmal die Augen, grunzte kurz, legte das Köpfchen auf
seines Vaters Arm und schlief weiter.
Ich herzte und küßte meine wiedergefundenen
Söhne, bis sie mich schließlich von sich schoben.
»Jetzt langt’s, Mutti! Mir sin doch
keine Babys!«
Wir traten den Rückweg an. Manfred
hielt den einen verlorenen Sohn und ich den anderen fest an der Hand. Stefan
trug den Wubbel, und Gabi leuchtete ihm. Michael lief voraus. Der Rest der
Familie umkreiste uns. Henriette hob ihren Kassettenrekorder aus dem Schnee,
drehte daran, stieß einen Wehlaut aus und stolperte weiter.
»So, habt ihr sie wieder eingefangen?«
Beate und Florian standen engumschlungen
auf dem Parkplatz. Sie hatten offensichtlich die Zeit aufs beste genutzt.
Henriette sah sie stehen in Frieden und
Einigkeit, und Groll erfüllte ihr Herz. Wie sie sich anschauten! Als ob es bloß
sie allein auf der Welt gäbe! Kein Blick für Henriette, ihre unglückselige
Tochter! Kein Wort des Trostes! Sie hielt den beiden ihren Kassettenrekorder
unter die Nasen. »Hin! Kaputt!«
Der Ton, in dem sie diesen Ausbruch in
Richtung der Eltern schleuderte, war so gesättigt von bitterem Vorwurf und
scharfem Tadel, daß jedem einigermaßen verständigen Menschen klar werden mußte,
wen allein Henriette verantwortlich machte für all das Unheil, das ihr
widerfahren. Die Eltern waren schuld! Diese Egoisten, die da beim Auto
stehengeblieben, sich Gott weiß wie abküßten, anstatt auf den Kassettenrekorder
achtzugeben, welcher den ganzen Tag beschimpft und bemeckert, nun bei der
Rettungsaktion hatte herhalten müssen, um im Dienst der Familie eingesetzt und
dann hinterrücks gemeuchelt zu werden.
»Aber Jettchen...« Mutter Beate fand
beklagenswerterweise nur selten den rechten Ton für die Tochter. »Wie konnte
das nur passieren?«
Henriette rang nach Luft. Hatte sie
recht gehört? Klang aus den Worten der Mutter tatsächlich ein Hauch von Tadel?
Sie schüttelte des Vaters Hand ab, die sich freundlich auf ihre Schulter legte,
drückte den Kassettenrekorder an die Brust und stelzte davon. Einsam, allein,
unverstanden von der ganzen Welt.
Die Eltern seufzten hinter ihr her.
Ach, daß kein Glück ungetrübt, und ihr geliebtes Jettchen ein so zwiespältiges
Wesen sein mußte! Beate kleidete das elterliche Dilemma in die Worte: »Wie
man’s macht, ist’s falsch. Streiten wir uns, dann kann sie es nicht leiden.
Lieben wir uns, dann ist’s ihr auch nicht recht. O Floh!«
»Es ist das Alter!« sprach Florian.
»Sie steckt in einer Krise. Glaub es mir, ich kenne sie. Wir müssen Geduld
haben. Irgendwann hat sie es überwunden.«
»Hoffentlich bald!« seufzte Beate.
»Bevor ich vollends verrückt werde.«
Michael
ging von Auto zu Auto.
»Wer ist hier drin?«
Christoph kurbelte das Fenster
herunter.
»Zählst du die Häupter deiner Lieben?«
»Ja! So etwas passiert mir nicht noch
einmal. Also, wer ist drin?«
»Julia und ich. Hinten kannst du die
beiden Süßen, Fränzchen und Jettchen, miteinander streiten hören, wenn es dich
danach verlangt.«
Nein, Michael trug kein Verlangen nach
einem Streit. Er zog schnell den Kopf zurück und begab sich zum nächsten Auto.
»Wer sitzt hier alles drin?«
»Siehst du es nicht?« antwortete Stefan
leicht gereizt. »Gabi und unser Wubbel. Todmüde ist das Kerlchen! Fix und
fertig! Halb erfroren...«
»Und hier hinten sitzen wir!« fuhr ihm
Beate in die Parade. »Floh und ich...«
»Seid froh, daß ihr eure liebenswerte
Tochter nicht bei euch habt! Sie hat die gräßlichste Laune der Welt und macht
das arme Fränzchen fertig.«
»Das arme Fränzchen kann sich sehr wohl
wehren«, bemerkte Florian aus der Tiefe des Wagens. »Jettes Kassettenrekorder
ist kaputt...«
»Was für ein Segen!« Michael trottete
weiter. Jetzt stand er vor unserem Auto, klopfte ans Fenster und begehrte einen
Blick hinein zu tun.
»Seid ihr vollzählig?«
»Ja, die ganze liebe Familie«, sagte
Manfred, »gell, ihr nehmt Gitti mit und
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