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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Nachkommenschaft so herzhaft gelacht und
gelästert hatte! Er saß und putzte seine Brille, die Augen nach unten
gerichtet, als schäme er sich. Michael aber ergriff die rettende Frage mit
Dankbarkeit.
    »Gut, daß du fragst, Schwager! Ja also,
wir fahren jetzt nach Goslar und besichtigen alle Sehenswürdigkeiten.«
    »Ohne mich«, trompetete Fränzchen, »ich
fahre mit Bert.«
    »Gut, dann haben wir mehr Platz im
Auto!« Christoph preßte es zwischen den Zähnen hervor, dann fuhr er auf den
ahnungslosen Wubbel los. »Benimm dich! Iß anständig! Das tut man nicht!«
    Der Wubbel hob den Finger, mit dem er
stillvergnügt in seiner Milch gerührt, schleckte ihn ab und sprach: »Seisterl!
Lustmolch!«
    Trotz aller menschlichen Bemühungen
lagerte eine erhebliche Spannung über dem Frühstückstisch. Auch Stefans Nerven
vibrierten vor Ärger über die freche kleine Schwester, und so vermochte er den
Übergriff des Bruders in seine, Stefans, Erziehungskompetenzen nicht auch noch
schweigend hinzunehmen. Er bedachte Christoph mit einem sauren Blick. »Du
brauchst ihn nicht zu erziehen, das besorge ich! Ich bin der Vater!« Und zu
Michael hingewendet: »Wann fahren wir denn endlich?«
    »Fränzchen ist noch nicht fertig«,
sagte Florian.
    »Laßt euch nicht aufhalten! Ich bin
froh, wenn ihr weg seid.«
    Sie zischte es über den Tisch, laut und
mit vollem Mund. Sogar Andreas und Mathias, an guten Sitten sonst nicht
sonderlich interessiert, sahen es mit Grausen. Sie blickten in die Runde, ob
auch die anderen es bemerkt hätten. Dann faßte Mathias das allgemeine Entsetzen
in die Worte: »Wenn des di Großi gsehe hätt!«
    »Hübsch siehst du aus!«
    Julia lächelte zu Fränzchen hinüber,
der blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. Endlich schluckte sie hinunter
und wiederholte mit großer Dringlichkeit: »Ich fahre nicht mit euch!«
    Michael nickte.
    »Du sagtest es schon. Wenn du lieber
mit diesem... diesem Herrn fährst als mit deinen Geschwistern, wir halten dich
nicht...« Er legte den Arm um sie, er sprach mit leiser beschwörender Stimme:
»Fränzchen, vielleicht wäre es möglich... es ist doch ein Familientreffen...
bitte, könntet ihr nicht beide mit uns...«
    »Nein, nie!« Sie stieß den Arm des
Bruders von sich. »Kommt nicht in Frage! Er hat genug von dieser Familie! So
wie ihr ihn behandelt habt!« Jetzt endlich konnte sie vom Leder ziehen, und sie
tat’s mit Wonne. »Gestern abend! Das war unerhört! Das war eine Schande! So
behandelt man keinen erwachsenen Menschen! Ich bin die einzige, die es wieder
gutmachen kann!«
    »Das ist ein Fehler«, sagte Michael,
»ich meine, es war ein Fehler, gestern abend von mir, aber er ist auch nicht
gerade ein Wonneproppen!«
    Der Wubbel horchte auf, hob entzückt
das Köpfchen. Wieder solch ein Wort. Neu. Geheimnisvoll. Schön. Der Wubbel
ergriff sogleich Besitz von ihm.
    »Wonneproppen«, flüsterte er und ließ
die P genüßlich über seine Lippen purzeln. »Mami, was is Wonneproppen?«
    Die Rockerbraut seufzte. Diese Familie
gebrauchte Worte, welche ihren Sohn auf bedauerliche Weise faszinierten, von
ihm sogleich begierig aufgesogen und seinem Wortschatz einverleibt wurden,
obwohl sie diesen keineswegs bereicherten. Am liebsten hätte sie das
lächerliche Wort totgeschwiegen, aber sie kannte die Beharrlichkeit ihres
Sohnes und war auch sonst der Meinung, daß man Kinderfragen ernst nehmen müsse
und getreulich beantworten, also widmete sie dem so wenig geschätzten
Wortgebilde eine längere mühsame Erklärung.
    »Ein Wonneproppen, ja weißt du, das ist
ein netter Mensch, einer, der lustig ist, den alle gern mögen...«
    Der Wubbel schluckte die mütterliche
Bemühung ohne weitere Nachfrage, stützte das Haupt in beide Hände, wie es sein
Vater bei schwierigen Denkprozessen zu tun pflegte, und versuchte das Gehörte
zu verdauen. Indes saß die Familie schweigend und wartete darauf, daß Fränzchen
ihren Kaffee austrinke und sich eines besseren besinne, doch bevor dies
geschehen, wurde dem Wubbel eine Erleuchtung zuteil.
    »Ontel Piffpoff!« rief er. »Ontel
Piffpoff is ein Wonneproppen!«
    Die Familie nahm es mehr oder weniger
gern zur Kenntnis. Christoph lächelte geschmeichelt. Der Wubbel aber war noch
nicht ans Ende seiner Erleuchtung gelangt, denn hatte er in Onkel Christoph
eine hervorragende Verkörperung des neuen Wortes gefunden, so wußte er auch
einen zu nennen, auf den es ganz und gar nicht paßte. Er streckte anklagend das
Fingerchen gegen den Herrn,

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