Sieben auf einen Streich
welcher ihn gestern beim Wecken so fürchterlich
angeschrien und den er deshalb nicht gerne mochte, hob seine Stimme, damit ihn
auch alle hören könnten und es klug und richtig finden, was er eben so reiflich
bedacht, und sprach: »Aber der nich! Tein Wonneproppen!«
Er blickte bedeutungsschwer um sich,
aber seine Mitteilung blieb ohne Zustimmung. Kein Mensch lobte ihn, nicht
einmal Papi und Mami. Keiner lachte und sagte: Fein, Wubbel, da hast du
wirklich recht. Im Gegenteil, sie taten, als hätten sie nichts gehört, sie
guckten nicht einmal zu ihm hin, sie unterhielten sich einfach weiter.
Dem Wubbel schwoll der Kamm. Sein Zorn
konzentrierte sich auf den Herrn, der ihm nichts als Ärger bescherte, und über
seine Lippen drängten die beiden anderen Worte, die er heute gelernt, in sein
Herz geschlossen und seitdem gerne gebrauchte, auch wenn sie ihn jedesmal dafür
beschimpften. Also wies er erneut mit dem Fingerchen auf den Harztiger und
sprach aus, was andere dachten: »Seisterl! Lustmolch!«
Mit diesen Worten nahm er aller
vorangegangenen Liebesmüh der Familie ihren Sinn. Fränzchen erhob sich.
Kleinmut und Zweifel wichen von ihr. Nun endlich wußte sie, wo allein ihr Platz
war.
»Pfui über euch«, so sprach sie, »daß
ihr sogar das Kind gegen ihn aufhetzt!«
Sie ließ ihren Blick voll Kälte über
die Tischrunde kreisen, warf ihn gleich darauf voll Wärme und steigender Glut
hinüber zum Harztiger, drehte sich um und schritt hinaus.
Es blieb der Familie nichts anderes
übrig, als sich geschlagen zu geben, die Kampfstätte zu räumen und dem Herrn
das Feld zu überlassen.
Mathias im Glück und
die Axt im Zelt
Nach einer halben Stunde versammelte
man sich auf dem Parkplatz. Die Sonne lachte, Fränzchen auch, und wie hell! Sie stand neben dem silbergrauen Porsche des
Harztigers. Dieser harmonierte aufs beste mit seinem Auto, trug sportliches
Grau von den Schläfen über die Flanellhosen bis zu den Wildlederschuhen, nur
das Hemd zeigte eine dezente rosa Musterung. Über seinen Schultern hing lässig
eine schwarze Lederjacke, über seinen Gesichtszügen ein schwarzes Lächeln.
Fränzchen, im selbstgestrickten Pullover, mit verwaschenen Jeans und
vollgestopftem Umhängetäschlein, wirkte neben ihm ausgesprochen schlicht. Sie wedelte
aber kokett mit Schleife und Zopf und klimperte mit den langen Wimpern.
Wir Geschwister betrachteten das
ungleiche Paar mit Mißvergnügen. Doch traf der geballte Zorn nicht das
ungetreue Schwesterlein, sondern ihren Entführer, diesen Casanova in Grau,
diesen eitlen, arroganten, unerfreulich schmucken Harztiger.
»Angeber!« bruddelte Christoph.
»Mädchenräuber!« zischte Stefan.
»Hoffentlich kann der Kerl fahren!«
Michael seufzte nur, drehte sich um und
hielt Ausschau nach Vera. Diese stand neben Mathias, der selbstvergessen auf
den Porsche starrte. Für ihn war die Welt versunken, auch die Tante nahm er
nicht wahr, er sah nur dieses unbeschreibliche Gefährt.
»Vermißt du etwas?«
Er schaute hoch mit leerem Blick,
lauschte der Frage nach, begriff und fuhr mit beiden Händen in die
Hosentaschen. Er wühlte, förderte ein schmutziges Taschentuch zutage, verklebte
Bonbons, Schnüre, Steine und heulte auf: »Mei Taschenmesser!«
Ein kleines Weilchen nur ließ sie ihn
klagen, dann zog sie es aus der Tasche, sein geliebtes Messer, silbrig
glänzend, heil.
Er griff danach, und in übergroßer
Freude und Dankbarkeit füllte er die Hände der Tante mit all seinen
Kostbarkeiten: mit Bonbons und seltsam gearteten Steinen, mit einem Backenzahn,
für den er vier Murmeln gezahlt, einer Streichholzschachtel mit lebenden Käfern
darin, er hielt sie der Tante ans Ohr, damit sie die Käfer krabbeln hörte, und
einem überaus kostbaren Eidechsenschwanz. Mit all dem überhäufte er die Gute,
obwohl sie sich heftig dagegen wehrte. Er stopfte ihr sogar einen Klumpen
Gummibären direkt in den Mund, den sie zu anhaltendem Protestgeschrei geöffnet
hatte.
»Se sin naß gworde — drum klebet se e
bißle. Aber, Tante Vera, schmecke tun se no, gell!«
Sie nickte mit verzerrtem Gesicht und
kaute. Er aber freute sich, daß er sie so reich hatte beschenken können, obwohl
es ihm leid tat um den Eidechsenschwanz und den Backenzahn, denn wußte die
Tante auch, wie ungeheuer kostbar seine Geschenke waren? Gleich zurückfordern
konnte er sie natürlich nicht, das hätte Tante Vera zu Recht verärgert, aber im
Laufe des Tages hoffte er Gelegenheit zu finden, sich gütlich mit ihr
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