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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Hannibal vertrieben...«
    »Wer war Hannibal?«
    »Menschenskind, Jette, hat dir deine
Mutter nie etwas von Hannibal erzählt? Das war unser Truthahn. Ein selten böses
und heimtückisches Tier. Else hatte ihn angeschleppt als potentiellen
Weihnachtsbraten. Wenn aber eine Kreatur mit Weihnachten nichts gemeinsam
hatte, dann war es dieser Hannibal. Er war kein Weihnachtsbraten, er war ein
Satansbraten. Er konnte kein anderes Lebewesen als sich selbst auf dem Hof
ertragen. Wir hatten allesamt Angst vor ihm. Er fiel die Gemeindemitglieder an,
wenn sie nichtsahnend und frohgemut durch den Hof marschierten, um von hinten
ins Pfarrhaus zu gelangen. Neben der Hundehütte lag er auf der Lauer, und waren
sie tief genug in sein Revier eingedrungen, dann stürzte er sich auf sie,
kollernd, mit vorgerecktem Hals, blutrot der Kamm und blutrot das faltige
Halsgehänge. Was meinst du wohl, wie sie rannten, wie sie hilfeschreiend in
unsere Küche stürzten!
    Else hatte große Freude daran, dies
Schauspiel vom Küchenfenster aus zu betrachten. Nur in zwingenden Fällen griff
sie ein, dann nämlich, wenn sie Körbe am Arm der Gejagten sah oder Milchkannen
in ihrer Hand und daraus schließen durfte, daß sich Lebensmittel, Eier oder gar
eine Wurstsuppe in die pfarrhäusliche Küche verirren sollten. Dann ergriff sie
eilends den Stock, der für solche Zwecke an der Küchentür lehnte, und schlug
Hannibal in die Flucht. Sonst aber war sie der Meinung und sprach sie auch aus:
›Wenn die Leute was vom Pfarrer wollen, denn solln sie jefälligst vorne
klingeln!‹ Sie verabscheute Besuch in der Küche.
    Nachdem aber Mutti vom
Schlafzimmerfenster aus hatte miterleben dürfen, wie Kirchengemeinderat
Mangold, der ihrem lieben Mann bei Sitzungen regelmäßig Schwierigkeiten zu
machen pflegte, wie der also schreiend vor Hannibal floh und von diesem rund um
die Pumpe gejagt wurde, da war es um Hannibals Freiheit geschehen. Sie schritt
hinunter in die Küche, ruhig und gemessen, indes ihre Gesichtszüge von
freudiger Erregung zu schmerzlicher Bestürzung hinüberglitten, und gebot Else,
Hannibal zu zähmen. Die beiden Frauen zwinkerten sich zu, dann riß Else die
Küchentür auf, ergriff den Stock und jagte schreiend hinaus, als habe sie eben
erst bemerkt, welch schreckliche Tragödie sich draußen abspielte.
    Sie kehrte zurück, den erbosten
Kirchengemeinderat am Arm und führte ihn ins Wohnzimmer, wo Mutti ihn
händeringend empfing und mit vielen trostreichen Worten überschüttete.
    ›Dieser böse, böse Puter! Jetzt wird er
eingesperrt. Es geht wahrhaftig nicht an, daß er liebe Menschen ängstigte Also
wurde ein Zwinger gebaut...«
    »Tante Amei«, Henriette sprach so
vorsichtigmilde, als hätte sie einen gefährlichen Geisteskranken neben sich,
»Tante Amei, du uferst aus! Verzeihung, ich will dich nicht beleidigen, und es
ist ja auch furchtbar interessant mit diesem Hannibal, aber Onkel Michael kauft
schon Eintrittskarten, und ich wollt’ noch hören, was mit den Läusen und Flöhen
passierte...«
    »Gut, wenn es dich nicht
interessiert...«
    »Doch, es interessiert mich ja.
Ehrlich, ich find’s brutal mit diesem Hannibal...«
    »Laß dir mal von Gitti erzählen, was
sie mit ihm durchgemacht hat...«
    »Ja, das tu’ ich, nachher. Aber das mit
den Flöhen und Läusen kann ich gar nicht glauben, wo sollten die denn
herkommen, die Großi war doch so pingelig...«
    »Wo sie hergekommen sind? Aus dem alten
Zeug im Holzstall. Auf dem Höhepunkt ihrer Trödlerkarriere wurden Fränzchen und
Gitti auf einmal von seltsamen Beschwerden heimgesucht. Sie könnten nicht
schlafen, so jammerten sie, es täte sie überall jucken, und voll Stolz
präsentierten sie rote Flecken auf Bäuchlein, Armen und Beinen.
    ›Das sieht mir nicht nach Mückenstichen
aus‹, sagte meine Mutter zu Else, ›was sind das bloß für Tiere, die solche
Spuren hinterlassen. Oder meinst du, die Kinder haben einen Ausschlag?‹
    Else sah die Stiche, schlug die Hände
über dem Kopf zusammen: ›mei bosche kochanje!‹ und holte einen Stuhl herbei,
damit Frau Pfarrer sich setzen könne.
    ›Geh ock los, weeßteh Sie drückte Frau
Pfarrer auf den Stuhl nieder. ›Ich hab’s jleich jewußt, sie schleppen uns
Unjeziefer ins Haus!‹
    ›Was ist es, Else?‹
    ›Was wird es sein? Flöhe, Frau Pfarrer!
Aber keene Aufrejung nich, die kriejen wer wech, un der Herr Pfarrer braucht
nuscht nich davon zu wissen!‹
    Als Mutti aus hilfreicher Ohnmacht
erwachte, war Else, wohlbewandert im

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