Sieben auf einen Streich
nichts als
Hose zwischen die Zähne bekam, er hielt fest, er ließ nicht los.
»Wubbel, was machst du da!« schrie der
Papi, und gehorsam öffnete der Wubbel das Mäulchen, um zu erklären, daß er den
Mann festhalten müsse, weil er ein Räuber sei. Doch er hatte dies alles noch
gar nicht richtig sagen können, da saß er schon auf Papis Arm.
Der Räuber sagte: »Hoffentlich hat er
keine Tollwut!« Und dann noch: »Die sind ja gemeingefährlich! Das reinste
Irrenhaus!«
Mit diesen Worten packte er Tante
Fränzchen und raubte sie, und alles war umsonst gewesen! Da war’s dem Wubbel
wahrhaftig nach Weinen zumute, denn er hatte viel getan, um die Tante zu
retten, und keiner hatte ihn gelobt. Und es fiel ihm sein Fall ein und wie er
sich den Kopf so fürchterlich angeschlagen, und keiner hatte ihn getröstet. Da
faßte er sich mit beiden Händen an den Kopf und holte nach, was er vorhin
vergessen.
»Au-au-au-au-au-au...«
Die Umstehenden betrachteten das
Spektakel mit Interesse und Grausen.
»Meine Damen und Herren!« Der Führer
klatschte in die Hände. »Ich darf Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit auf die blaue
mit Sternchen geschmückte Holzdecke...«
»Au-au-au-au-au-au...«, heulte der
Wubbel.
»Pscht!« zischte es von allen Seiten.
Doch über den Wubbel hatte sich eine so
tiefe Traurigkeit gesenkt, daß er nicht aufhören konnte, zu weinen und zu
klagen, im Gegenteil, sein Stimmchen hob sich zu schrillem Sirenenton.
»Darf ich Sie bitten, das Kind zu
entfernen!« schrie der Führer.
Dieser Aufforderung kamen Gabi und
Stefan gerne nach. Sie entfernten sich samt ihrem Sprößling, und nur noch
gedämpft klang sein Geheul von draußen herein.
»Richten Sie nun Ihr Augenmerk auf die
Leuchter...«
Unsere Augen wanderten an die Decke,
unsere Ohren lauschten nach draußen. Eine kleine kalte Hand schob sich in
meine.
»Mutti«, flüsterte Mathias, »meinsch,
er isch sauer, weil ihn der Wubbel bisse hat? Meinsch, er läßt mi net
mitfahre?«
»Wer denn? Von wem sprichst du?«
»Von Tante Fränzles Porschefahrer! Er
hat gsagt, er dreht heut abend mit mir ‘ne Runde. Un jetzt beißt’n der
Wubbel...« Mathias’ Stimme erstickte in unterdrücktem Schluchzen. »Un i hab mi
so gfreut!«
»Der läßt dich sicher mitfahren. Das
bißchen Beißen hat ihm bestimmt nichts ausgemacht! Der ist abgehärtet, ein
richtiger Sportsmann!«
»Aber Beiße isch er vielleicht net so
gwöhnt, Mutti!« Mathias’ Gesicht blieb umwölkt, seine Hand kalt.
»Hast nicht gesehen, wie er noch einmal
zurückgeguckt hat und dir zugezwinkert?«
»Mir zuzwinkert!! Schtimmt des, Mutti?«
»Also mir kam’s so vor!«
Es polterte dumpf, und das war leider
nicht der Stein, der von Mathias’ Herzen rollte, sondern die Tür, an die
Christoph geprallt, nachdem er in große Peinlichkeit geraten, und dies trug
sich so zu:
Christophs Interesse für alte Rathäuser
hielt sich in Grenzen, und nachdem er mitansehen mußte, wie Bruder Stefan samt
Weib und Kind den Schauplatz geräumt, erfaßte ihn heftiger Groll darüber, daß
er hier besichtigen sollte, indes der Bruder draußen seine Freiheit genoß.
»Die zwölf Rankenarme dieses Leuchters
bilden in der Mittelsäule ein Gehäuse...« Die Stimme des Führers klang laut und
monoton, die von Christoph dagegen leise und eindringlich: »Hier riecht es so
dumpf«, flüsterte er seiner Frau Julia zu, »ich glaube, ich muß mal frische
Luft schöpfen.«
Die Augen auf Decke und Leuchter
gerichtet, den Mund bewundernd geöffnet, so ging er rückwärts, Schritt für
Schritt, der Tür zu. Er hätte sie auch erreicht, ohne Aufsehen zu erregen,
hätte nicht eine korpulente Dame zwischen ihm und der Tür gesessen. Diese Dame
hatte sich in weiser Voraussicht einen Klappstuhl mitgebracht, ihre Füße zu
entlasten, und da saß sie denn, Kopf und Blick erhoben, und ließ den Leuchter
in seiner ganzen Schönheit auf sich wirken. Sie tat dies so lange, bis
Christoph sich auf ihrem Schoß niederließ. Ihre ausgestreckten Beine hatten ihn
unvorbereitet getroffen. Er war aus dem Gleichgewicht geraten, nach hinten
gesunken und auf ihrem Schoß gelandet. Sie bedeutete ihm zornig, sich sofort
von diesem Platz zu erheben, was er denn auch schleunigst und ohne Widerrede
tat, um mit zwei Sätzen und roten Ohren die Tür zu erreichen. In seiner
Verwirrung übersah er jedoch, daß diese Tür nicht nach außen aufging, sondern
nach innen. Der Sprung, der ihm die Freiheit schenken sollte, bescherte ihm
deshalb nur einen
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