Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
Vom Netzwerk:
vertrauensvoll in die
des dicken Onkels, aber der wollte nichts hören von Eis und weiteren
Aufenthalten, der wollte endlich einmal seinen Tagesplan durchführen.
    »O Ontel Michajehl...«
    Der Onkel hörte den drohenden Unterton
in der Stimme des Neffen, aber nicht dieser, sondern das kleine warme Pfötchen
in seiner Hand war es, was ihn überwältigte, so daß er seufzend seinen
Tagesplan beiseite schob und stehenblieb.
    »Ich sehe schon, wir werden es heute
wieder nicht schaffen.«
    Mathias zog bereits Tante Vera über die
Straße.
    Andreas hängte sich an Onkel Christoph
und wies ihn bedächtig auf die Tatsache hin, daß sich auf der anderen
Straßenseite ein Eisladen befinde, es gestern zwar recht kalt, aber heute doch
angenehm warm sei, und daß er, Andreas, sein Patensohn wäre, und dies mit
Freuden, da der gute Onkel ihm schon so manches Geschenk gemacht... Seine
diplomatischen Bemühungen wurden aufs erfreulichste belohnt. Der Onkel
überquerte schimpfend die Straße und betrat den Eissalon hinter Vera und
Michael, die beide ein strahlendes Kind an der Hand hielten. Auch wir
Erwachsenen zeigten uns einer Portion Eis nicht abgeneigt, zumal keiner
besondere Lust auf Sehenswürdigkeiten und ihre ermüdende Besichtigung
verspürte.
    So saßen wir denn bald an kleinen
Tischen und schlangen Eis hinunter, denn Michael ermahnte uns dringlich, doch
voranzumachen und schnell zu essen, sonst sähe er es kommen, daß uns nicht
genug Zeit bliebe für Goslar und seine Schönheiten, was wir hinterher bitter
bereuen würden.
    »Der Wubbel muß langsam essen, sonst
bekommt er Bauchweh«, sagte die Rockerbraut, »langsam, Wubbel, langsam!«
    Doch der Wubbel stopfte mit Löffel und
Fingern, denn er hoffte auf milde Gaben von den diversen Tanten und Onkels.
Andreas und Mathias verhielten sich ähnlich.
    »Aus! Schluß! Fertig! Wir besichtigen
jetzt erst das Rathaus, dann den Marktplatz und das Glockenspiel, dann die
Kaiserpfalz, dann die Marktkirche, dann...«
    »Und das alles vor dem Essen?« stöhnte
Christoph. »Womit habe ich das verdient?«
    Aber Bruder Michael kannte kein Pardon,
heute nicht! Heute wurde besichtigt und der Plan erfüllt. Also marschierten wir
weiter. Jette blieb vor einem Trödlerladen stehen und verschlang die
zerschlissenen Kleider, die wackligen Stühle, die wurmstichigen Schränke mit
gierigen Augen.
    »Stark!« sagte sie, und »stark« war der
stärkste Ausdruck der Begeisterung in ihrem Vokabular.
    »Ist das nicht stark, Tante Amei?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst. Hast du
was Spezielles im Auge?«
    »Nein, alles! Der ganze Laden, dieser
Duft.«
    Sie zog beseligt eine unerfreuliche
Geruchsmischung von Schweiß, Kampfer und Lavendel in die Nase.
    »Ehrlich, das war’ für mich das
Stärkste, so ein Laden!«
    »Es ist komisch, daß ihr beide nicht
miteinander auskommt, du und Fränzchen...«
    »Wieso, was willst du damit sagen,
Tante Amei?«
    Aus Henriettes Stimme klang schärfste Abwehr,
denn wenn es sich um Verwandtschaft handelte, dann war das gute Kind geneigt,
sofort das Schlimmste anzunehmen.
    »Ich wollte damit sagen, daß ihr beide
euch ziemlich ähnlich seid.«
    »Wieso sollen wir uns ähnlich sein?«
    »Hast du noch nie was von Fränzchens
Laden gehört?«
    »Kann mich nicht erinnern.«
    »Na ja, es ist ein dunkler Punkt in
unserer Familiengeschichte... Wir sprechen nicht gern darüber. Fränzchen war
etwa zehn Jahre alt, als die Sache anfing. Sie zog ein Leiterwägelchen durch
das Dorf, schwang unsere Tischglocke und tat kund, man könne alte Sachen bei
ihr loswerden. Und weil sie so niedlich aussah und Pfarrers Fränzchen war,
luden wohltätige Gemeindemitglieder das Wägelchen immer wieder voll, denn, so
dachten sie vermutlich, Pfarrers sind Flüchtlinge und haben sieben Kinder, aber
kein Mobiliar. Also laßt uns unseren Ramsch für sie stiften. Sie steckten dem
armen Kind, das da ganz allein den Wagen zum Pfarrhaus zerrte, auch noch
Schokolade und Bonbons in den Mund.
    So entrümpelte Fränzchen die Speicher
und Keller des Dorfes, kam heim mit gefülltem Wagen, leerte ihn und fuhr wieder
davon, um unermüdlich ihr Glöckchen zu schwingen. Wir merkten nichts von diesen
Geschäften, denn sie fing es schlau an, fuhr mit dem vollen Karren durch ein
kleines Tor von hinten in den Hof und von da, gedeckt durch den Kirschbaum und
eine unbewohnte Hundehütte, direkt in den Holzstall. Hier lud sie ab und
schleifte die Spiegel und Kommoden und was weiß ich noch alles eine wacklige
Leiter

Weitere Kostenlose Bücher