Sieben auf einen Streich
harten Aufprall und später eine prachtvolle Beule.
Des Führers Augen ruhten strafend auf
dem Ausreißer, und auch die anderen Besucher richteten ihr Augenmerk keineswegs
auf den Leuchter. Erst nachdem es Christoph, vor Verlegenheit schnaufend,
gelungen war, ins Freie zu gelangen, nahm der Herr seine Ausführungen wieder
auf.
Wie alle anderen Besucher, so
schüttelten auch wir Familienmitglieder strafend die Häupter und verleugneten
unseren Bruder, indem wir sprachen: »Ach, was gibt es doch für Menschen! Es ist
nicht zu glauben! Nein so was!« Und mit vielen »Ahs« und »O wie schön!« und mit
staunend geöffneten Augen suchten wir den Führer zu versöhnen. Julia, die sich
für ihren Mann schämte, griff sogar zu interessierten Zwischenfragen.
So wanderten wir durch die Räume und
warfen nur ab und zu einen Blick durch die Fenster hinunter auf den Marktplatz,
wo Wubbel vergnügt herumtollte, indes seine Eltern und Christoph an einem
Tischchen saßen und Kaffee tranken. Christoph drückte ein Taschentuch an seine
Stirn und machte, auch aus der Ferne gesehen, einen leidenden Eindruck.
Nach der Führung beeilten wir uns,
schnell und unauffällig den Ort der Schmach zu verlassen. Michael tat noch ein
übriges und drängte: »Los, macht schon, beeilt euch, gleich ist es Zeit für das
Glockenspiel!«
Gespräch unter
Männern und Heimkehr der verlorenen Schwester
Auf dem Marktplatz hatte sich schon
eine stattliche Menge Volks versammelt, um das Ereignis aus nächster Nähe zu
betrachtenund keinen Ton desselben zu versäumen. Die
Uhr schlug zwölf, und das Glockenspiel erklang. Von allen musikalischen
Darbietungen kann ich ein Glockenspiel am leichtesten entbehren, denn meine
Ohren vermögen die Schönheit der ehernen Harmonien nicht zu würdigen. Ich gebe
jedoch gerne zu, daß auch ein Glockenspiel seine positiven Seiten hat, denn es
ist selten zu hören und währt nur kurze Zeit. Dieses hier aber war von
erschreckender Länge und dazu gekoppelt mit einer optischen Darbietung in
luftiger Höhe.
»Wubbel, guck!« schrie Mathias. »Guck,
da obe isch Kaschperlestheater!«
Wir legten also den Kopf in den Nacken
und starrten hinauf. Die Glocken hingen am Giebel eines Hauses, dort sprangen
Türchen auf, und holzgeschnitzte Figuren drehten sich unendlich langsam von
einer Tür zur anderen hin.
»Huch, isch des langweilig!« stöhnte
Mathias schon nach wenigen Minuten. »Wies Sandmännle im Fernsehe; nur no
schlimmer, weil eim der Hals weh tut.«
Sein Bruder Andreas dagegen zeigte sich
im höchsten Grade fasziniert von diesem Wunderwerk der Technik und suchte zu
ergründen, welches Rädchen in welches greifen müßte, um die Puppen solcherart
tanzen zu lassen.
Als er meinte, der Sache auf die Spur
gekommen zu sein, begab er sich frohen Mutes auf die Suche nach einem Menschen,
dem er seine Erkenntnisse mitteilen könnte. Doch wem von der Familie er auch
immer seine Weisheit anbot, sie lehnten schaudernd ab, vertrösteten ihn auf
später oder tauchten blitzschnell in der Volksmenge unter. Seine Freude
verkehrte sich in Trauer, denn nur noch Tante Gitti und Onkel Klaus-Peter waren
übriggeblieben, und er bezweifelte sehr, daß sie Interesse an seinen
Erklärungen haben würden. Anstatt das Wunder der Technik dort oben auf dem
Giebel zu betrachten, hatte der Onkel seinen Arm um die Tante gelegt und
schaute ihr ins Gesicht, als ob es da Gott weiß was zu sehen gäbe. Trotzdem,
man mußte es probieren.
»Wollet ihr wisse, wie so ‘n
Glockeschpiel funktioniert?«
»Nichts würde mich mehr interessieren!«
sagte Klaus-Peter und hatte es möglicherweise ironisch gemeint, aber Andreas
nahm diese Ironie nicht zur Kenntnis, sondern begann sogleich mit seinen
Ausführungen.
Gitti drehte sich schon nach den ersten
Sätzen aus den Armen ihres Mannes, sagte, es täte ihr leid, aber sie müsse
unbedingt etwas mit Beate besprechen und wäre gleich wieder da.
Andreas erbot sich, noch etwas zu
warten, damit die Tante auch voll in den Genuß seiner Ausführungen käme, aber
der Onkel meinte, sie verstünde es vermutlich doch nicht so richtig, denn ihre
Begabung läge weniger auf technischem Gebiet. Andreas solle nur fortfahren, ihm
dies alles zu erklären, und das tat Andreas denn mit großer Lust und
Ausführlichkeit. Der Onkel hörte zu, so ruhig und geduldig, wie Andreas es
sonst nicht gewohnt war von Erwachsenen. Manchmal äußerte er Zweifel und bot
eine andere Lösung an, die sie dann gemeinsam erwogen. So führten
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