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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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Armen.
    »Ach, mein armes Wubbelchen! Wo tut’s
weh?«
    Da erinnerte sich der Knabe daran, daß
er schon seit geraumer Zeit Bauchweh hatte. Er nahm die Gelegenheit dankbar
wahr, auch diesen Schmerz unter die Leute zu bringen, ließ sein Fingerchen
zwischen Bauch und Fuß hin und her wandern und tat laut und jammernd kund, wie
groß sein Schmerz und wie schlecht sein Befinden sei.
    Christoph und Stefan aber maßen sich
mit zornigen Blicken. Dann zeigte Christoph auf uns drei.
    »Sie buddeln Leichen aus — sie wollen
mich hängen wegen Hannibal! Weil er Gitti damals in die Falle jagte, als sie
auf Beute ging und wir die Mutprobe machten... Weißt du noch?«
    Stefans Gesicht klarte auf, die
Zorneswolken verschwanden, und jungenhafte Schadenfreude breitete sich aus, von
der Stirn bis hinab zum lachenden Mund. »Na klar, weiß ich noch! Ich stand doch
am Fenster! Mann, das war vielleicht ein Schlag ins Kontor! Wie sie dir da
zwischen die Beine rollte, die kleine Fettmamsell...«
    Stefan gluckste. Christoph kicherte
hinter vorgehaltener Hand wie ein albernes Mädchen. Gitti dagegen schluckte
schwer an der »kleinen Fettmamsell«, und ihr Gesicht wurde noch düsterer.
    »Du hast also deine Finger auch mit
drin gehabt, Stefan? Oh, pfui über dich! Von dir hätte ich es nicht gedacht!«
Sie atmete schwer.
    »Sag ihr, daß ich den Puter nicht auf
sie gehetzt hab’. Los, Stefan, erzähl ihnen von der Mutprobe. Mir glauben sie’s
ja doch nicht!«
    Christoph rückte näher zu Stefan. So
standen die beiden in seltener Einigkeit, schauten sich an mit
Verschwörerblick, Komplizen wie in Kindertagen, sobald einem von ihnen Gefahr
drohte. Stefan schloß die Augen, um sich zu sammeln und die Geschichte aus
grauer Frühzeit in die Gegenwart zurückzuholen, wahrheitsgetreu, ohne
Übertreibung und Auslassung.
    Wir anderen standen geduldig, denn
störte man ihn bei diesen seinen Überlegungen, dann reagierte er sauer, das
wußten wir alle, dann klappte er den Mund zu und sprach kein einzig Wörtlein
mehr. Wir warteten also, bis er soweit war, Augen und Mund öffnete und in
seiner bedächtig-ausführlichen Weise den Hergang der Geschichte zu schildern
begann, und zwar aus der Sicht der beiden streitbaren Brüder.
    »Wir hatten mal wieder Schwierigkeiten
miteinander. Christoph befand sich im schlimmsten Stadium seiner Tarzanphase.
Ihr habt nicht viel davon abgekriegt, ihr mußtet ihn nur ›Tarzan‹ nennen und
hörtet ab und zu seinen Urschrei. Ich aber hatte ihn im Zimmer, und sein
Siegesgeheul gellte mir in den Ohren von morgens bis abends. Er fand sich
wunderbar, er war der Allergrößte... Du brauchst gar nichts zu sagen,
Christoph, denn es war so, und es ist mir schrecklich auf die Nerven gegangen.
Darum schlug ich vor, wir sollten eine Mutprobe machen und unsere Kräfte
messen. Hannibal bot sich als Gegner an, bösartig, schnell und gefährlich.
Richtig mit ihm zu kämpfen, wagten wir nicht. Else hätte uns den Hals
umgedreht, wenn ihm was passiert wäre. Also heckten wir einen anderen Plan aus.
Einer von uns sollte oben am Fenster das Startsignal geben und die Zeit
stoppen. Der andere unten die Zwingertüre aufschließen und vor Hannibal her zum
Apfelbaum laufen, und zwar so langsam wie möglich, immer nur eine Schnabellänge
von ihm entfernt. Ihr kennt Hannibal! Ihr wißt, wie schnell er rennen konnte
und wie kräftig zuhacken! Es war eine schwierige Mutprobe. Ich hatte sie am
Nachmittag vorher hinter mich gebracht, als Mutti Frauenstunde hielt und Else
einkaufte, und zwar in der ausgezeichneten Zeit von zehn Sekunden...«
    »Neun Sekunden«, verbesserte Christoph,
»du bist gerannt wie nicht gescheit, ich hab’ doch gestoppt!«
    »Zehn Sekunden!« beharrte Stefan. »Und
ich bin keineswegs gerannt! Einmal hab’ ich sogar seinen Schnabel am Bein
gespürt! Bei dir waren es neun Sekunden!«
    »Ja, weil Gitti dazwischenkam. Das hat
Hannibal furchtbar gereizt. Er rannte nicht nur, er hüpfte und flog und
streckte seinen Hals so weit vor wie noch nie. Ich kam fast nicht mehr auf den
Baum.«
    »Und dann ging er auf mich los!« rief
Gitti mit vorwurfsvollem Blick.
    »Kann ich was dafür? Sag selbst, Gitti!
Aber wie du da an der glatten Wand hoch bist, das war zum Brüllen!«
    »Für dich vielleicht«, schrie sie
zornig, »für mich nicht! Ich schwebte in akuter Lebensgefahr! Wenn ich
abgerutscht wäre, was meinst du, was er aus mir gemacht hätte?«
    »Hackfleisch«, antwortete der Chor der
Geschwister.
    »Jawohl, das hätte er! Er

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