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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amei Müller
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streichelten
sie seine männliche Eitelkeit, und er, mein katzennüchterner Manfred, ein Feind
von süßen Worten, er kroch ihnen auf den Leim, lächelte so einfältig, daß ich
meine Augen abwenden mußte, schnurrte wie ein Kater und sprach mit
scheinheiliger Abwehr: »Aber nein, ihr übertreibt, so gut bin ich nun auch wieder
nicht.«
    Fränzchen stand neben mir und
betrachtete das Spielgeschehen mit zusammengekniffenen Augen.
    »Ach, ist das peinlich!« stöhnte sie.
»Da schau dir Vera an! Wenn ich etwas nicht beherrsche, dann lasse ich es doch
bleiben und blamiere mich nicht vor aller Welt! Aber sie, es ist nicht zu
fassen, sie hat sogar noch Spaß daran!«
    Ich sagte, ja, ich fände es auch
peinlich, wie sie sich zum Gespött der Leute machte... tief im Herzen aber
wurmte es mich, daß Vera so vergnügt mitspielte und ich hier am Rande des
Geschehens stand und fror.
    Gitti kam zu uns, Jette im Schlepptau.
    Da der Yogi nun anderweitig beschäftigt
war, erinnerte sich Henriette an das Leben vor seinem Auftauchen, an die
Ereignisse, die früher wichtig erschienen.
    »Du wolltest mir doch von Hannibal
erzählen, Tante Gitti.«
    O Hannibal! Zornmütiger Puter und
eifersüchtiger Wächter über den Hof meiner Mädchenjahre! Hatte er mir nicht den
einzigen Freier vergrault, den das Dorf für mich bereitgehalten! Dieser, ein
kümmerlicher Jüngling namens Egon, hatte ein kurzsichtiges Auge auf mich
geworfen, damit vermutlich weder die ewig rutschende Brille auf meiner Nase
noch die eckigen Bewegungen meiner Gliedmaßen richtig wahrgenommen, und also
betrat er eines Abends unseren gefahrenträchtigen Hof wie weiland Rotkäppchen,
einen Korb in der Hand und ein unschuldiges Lächeln auf den Lippen. Im Korb
befand sich ein Kuchen, den er Else vorzuwerfen gedachte, und ein Blumenstrauß
für mich. Ich harrte mit freudig bewegter Brust an meinem Zimmerfenster und
mußte mit ansehen, wie Hannibal hinter der Pumpe hervorschoß und den angstvoll
schreienden, den hakenschlagenden Egon in die Flucht schlug. Der Jüngling
hinterließ den Korb als teures Pfand und kehrte niemals wieder.
    Auch auf Fränzchens Gesicht lag ein
verklärtes Lächeln und ein Schimmer goldener Vergangenheit. Sie wiederum mochte
daran denken, wie Hannibal unliebsame Besucher von ihrem anrüchigen
Antiquitätenladen ferngehalten und wie sie den sonst so abgebrühten das
Fürchten gelehrt. Angetan mit schwarzem Schleiergewand und großmächtigem
Federhut hatte sie ihn so nachhaltig erschreckt, daß er sich nie mehr an sie
herantraute und nur im Schutz der Pumpe leise und giftig in sich
hineinkollerte.
    Ihre Macht über Hannibal trug viel dazu
bei, den Glauben der Dorfjugend zu mehren, sie sei ein feenhaftes Wesen, mit
überirdischen Kräften begabt. Also legten sie ihr willig als Opfergaben zu
Füßen, was sie zu Hause an altem Zeug fanden, und ließen sich ohne Murren von
ihr betrügen und beherrschen.
    Wir hingen unseren Erinnerungen nach.
Gitti aber suchte mit ihren Augen nach Christoph, der gerade wieder einen
Erfolgstreffer gelandet hatte und triumphierend zu Stefan hinüberrief: »Nur
zwei Schläge! Du hast vier gebraucht! Spielen müßte man können!«
    »Schade, daß er so beschäftigt ist«,
meinte Gitti, »er hätte die Geschichte mitanhören sollen und sich dabei von
Herzen schämen.«
    »Was ist das für eine Geschichte?«
drängte Jette. »Warum soll sich Onkel Christoph schämen?«
    »Wißt ihr noch...«, Gitti wandte sich
an Fränzchen und mich, »wie er Herrn Mangold um die Pumpe gejagt hat?«
    Wir kicherten, wir prusteten. Ja, wir
hatten es gesehen von unseren Fenstern aus, denn Hannibal hatte lautstark
gekollert und der Kirchengemeinderat ebenso laut geschrien, und keinem Menschen
im Pfarrhaus war es verborgen geblieben.
    »Danach wurde ein Zwinger gebaut, und
Hannibal kam hinein und wurde noch viel, viel bösartiger. Du kannst es dir
nicht vorstellen, Jettchen. Wenn man die Tür aufmachte, dann schoß er heraus
wie eine Rakete und griff an, alle, sogar Else! Als Kind hatte ich immer
Hunger...«, Gitti steckte ein Pfefferminzbonbon in den Mund, »und darum ging
ich in die Speisekammer, so oft dies möglich war. Else ließ mich auch hinein,
denn unten im Regal lagen allerhand Sachen, die man holen oder bringen konnte:
Zeitungen, Schnüre, Kartons...«
    »Ja«, wir nickten.
    »Aber wenn ich rauskam, dann warf sie
mir einen ihrer Röntgenblicke zu. Sie sah einfach alles, sie merkte, daß mein
Mund voll war, auch wenn ich ihn fest geschlossen

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