Sieben auf einen Streich
hielt; sie roch es, wenn ich
was gefuttert hatte, es war aussichtslos.«
»Warum durfte man bei euch nichts
essen?« fragte Jette. »Meine Mutter ist froh, wenn mir was schmeckt!«
»Wir hatten nicht viel. Wir mußten
einteilen. Schon mal was von Nachkriegszeit gehört, Jette?«
»Klar, Tante Amei! Ehrlich, du brauchst
kein Wort mehr drüber zu sagen. Floh nervt mich unheimlich mit seinem ewigen:
›Wenn wir das früher gehabt hätten, dann hätten wir Gott auf den Knien gedankt‹
und so. Ich weiß Bescheid. Erzähl weiter, Tante Gitti.«
»Irgendwann kam mir die rettende Idee.
Ich legte alles, was ich in der Speisekammer erbeuten konnte, außen auf das
Fensterbrett, machte das Fenster säuberlich und leise zu und verließ die
Speisekammer mit leeren Taschen, leeren Händen und leerem Mund. Else konnte
noch so durchbohrend gucken, es gab nichts zu entdecken. Nach einem Weilchen
führte mich mein Weg auf den Hof. Ich holte vom Fenstersims, was da bereitlag,
und es war eine schöne Zeit, bis Christoph mir auf die Schliche kam. Er hatte
sich unglücklicherweise einen Sitzplatz im Apfelbaum vor dem
Speisekammerfenster eingerichtet. Da muß er mich beobachtet haben. Jedenfalls
schlug er eines Tages zu, und ich weiß bis heute nicht, warum. Ehrlich, ich
kann’s nicht verstehen, er ist doch sonst nicht so...
Ich hatte mir einen Apfel und ein
dickes Margarinebrot und eine saure Gurke auf das Fensterbrett gelegt, und ich
glaub’ auch noch ein Stückchen Streuselkuchen. Er hätte ja was davon
abgekriegt, wenn er was gesagt hätte, aber nein, was macht er? Er legt sich bei
Hannibals Zwinger auf die Lauer, und als ich ahnungslos aus der Küche komme und
um die Ecke zur Speisekammer laufe, da läßt er ihn raus, rast vor ihm her zum
Apfelbaum, klettert rauf und ist in Sicherheit. Hannibals ganzer Zorn richtete
sich gegen mich. Ich stand erst starr vor Schreck und erklomm dann in
Todesangst das Fensterbrett. Das böse Tier streckte den Hals und hüpfte in die
Höhe, um meine Füße zu erwischen. Es kollerte das ganze Haus zusammen. Da saß
ich denn in Angst und Schande und stopfte die guten Sachen in meinen Mund,
damit sie verschwinden sollten und unsichtbar sein für alle, die nun
herbeiströmten. Sogar Vati kam und sah mich traurig an, die ich mit dicken
Hamsterbacken, ein Stück Gurke noch zwischen den Lippen, kaute und schluckte und
schließlich vor übergroßer Peinlichkeit zu weinen begann. Mir ist der Appetit
vergangen, das kann ich euch versichern!«
»Na, so ein Giftzwerg!« bemerkte Jette
und schaute hinüber zu Onkel Christoph, der gerade wieder Bewunderung heischend
in die Runde blickte. Es wurde ihm Lob zuteil, man klatschte sogar. Dann blieb
sein Blick an den drei Schwestern Gitti, Fränzchen und Amei hängen, und an der
lieben Nichte Henriette. Von diesen vieren strömte ihm eine solche Kühle und
Verachtung entgegen, daß er den Schläger schulterte und näher trat, um zu
erkunden, was ihre Gemüter erregt und sie gegen ihn eingenommen hatte.
»Na, ihr Hübschen, wie geht’s uns
denn?«
»Schlecht geht’s uns!« antwortete
Gitti.
»Petzer!« Henriette schoß ihm einen
ihrer Eisblicke zwischen die Augen, wandte sich um und stakste davon.
»Gitti hat uns an deine Heldentat
erinnert. Damals, als du den Hannibal auf sie gehetzt hast...«
»Ich hab’ ihn nicht gehetzt.«
»Warum hast du ihn dann rausgelassen?«
»Himmel, laßt doch die alten
Geschichten ruhn!«
»Warum?« Wie Rachegöttinnen standen
seine drei Schwestern vor ihm und rückten drohend näher, so daß es Christoph
geraten schien, einen raschen Abgang zu nehmen. Zum zweiten Mal an diesem Tag
ging er rückwärts und tat wiederum nicht klug daran, denn der Wubbel hatte sich
leise herangeschlichen, stand nun hinter ihm und wollte gerade »Buh« schreien,
um den guten Onkel zu erschrecken, da trat ihm dieser auf das Füßchen. Aus dem
dumpfen »Buh!« wurde hierauf ein schrilles «Auh!!«, und jedermann strömte
herbei, um zu erkunden, was schlimmes dem armen Kind widerfahren.
»Mußt du ihm unbedingt auf den Fuß
treten?« fuhr Vater Stefan auf seinen Bruder los. »Hat er nicht heute schon
genug mitgemacht?«
»Natürlich muß ich ihm auf den Fuß
treten!« schnauzte Christoph zurück. »Ich lieg’ schon den ganzen Tag auf der
Lauer! Jetzt ist es mir endlich gelungen! Was meinst du, wie glücklich ich
bin?«
Gabi zog ihren brüllenden Sprößling
zwischen den streitenden Brüdern hervor, hob ihn hoch und wiegte ihn liebevoll
in den
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