Sieben Erzaehlungen
Angst.“
„Sicher hast Du Angst, sage ich, wenn nicht, würdest Du auf deinem Posten bleiben.“
„Ich habe keine Angst, ich sage es nochmals. Schämt Ihr Euch lieber, Herr Graf.“
„Ah, schämt Ihr Euch“, schäumte Martino Gerol, „verdammter Spitzbube! Du bist einer aus Palissano, wette ich, ein übler Feigling bist Du. Geh, bevor ich Dir eine Lektion erteile.“
„Und Du, Beppi, wohin gehst Du jetzt?“ schrie der Graf von neuem, als ein zweiter Jäger sich zurückzog.
„Auch ich gehe, Herr Graf. Ich will meine Hand nicht in diesem häßlichen Geschäft haben.“
„Ah, Ihr Feiglinge“, heulte Gerol, „Ihr Feiglinge, das müßtet Ihr mir bezahlen, wenn ich nicht an diese Stelle gebunden wäre.“
„Nicht Angst ist es, Herr Graf“, antwortete der zweite Jäger, „nicht Angst ist es, Herr Graf. Ihr werdet sehen, daß die Sache übel ausgehen wird.“
„Das lasse ich Euch jetzt sehen!“ Und einen Stein von der Erde aufhebend, warf der Graf ihn mit aller Kraft gegen den Jäger. Aber der Wurf ging ins Leere.
Eine Pause von einigen Minuten verstrich, während der Drache sich an der Wand abmühte, ohne daß es ihm gelang, höher zu kommen. Erde und Steine fielen und zogen ihn immer weiter nach unten, von wo er gekommen war. Abgesehen von diesem Lärm fallender Steine hörte man nichts.
Dann die Stimme von Andronico. „Soll das noch lange so weitergehen?“ schrie er Gerol an. „Eine Höllenhitze. Du hast dem eine gute Weile schon zugesetzt. Welchen Geschmack hast Du daran, es so zu quälen, auch wenn es nur ein Drache ist?“
„Ist das denn meine Schuld?“ antwortete Gerol gereizt. „Siehst Du nicht, daß es nicht sterben will. Mit einer Kugel im Schädel und doch lebendiger als je.“
Er unterbrach sich, als er den jungen Mann von zuvor am Rande des Kieshügels auftauchen sah, auf der Schulter eine andere Ziege. Dieser blieb verwundert stehen, als er die Ansammlung der Männer, die Waffen, die Blutspuren und vor allem den Drachen sah, der nie zuvor vor seinen
Augen die Höhle verlassen hatte und nun mühsam die Felsen hinauf zu kriechen versuchte, und starrte auf die sonderbare Szene.
„Hallo, junger Mann“, schrie Gerol, „was willst Du für die Ziege haben?“
„Nichts, ich kann sie nicht hergeben“, antwortete der Jüngling. „Nicht einmal für ihr Gewicht in Gold. Aber was habt Ihr gemacht?“ fuhr er fort, die Augen aufreißend beim Anblick des bluttriefenden Ungetüms.
„Wir sind hier, um die Dinge zu ordnen. Ihr könntet zufrieden sein. Von morgen ab keine Ziege mehr.“ „Wieso keine Ziege mehr?“
„Weil es morgen keinen Drachen mehr gibt“, sagte der Graf lächelnd.
„Aber das könnt Ihr nicht, das könnt Ihr nicht machen, sage ich“, rief der Jüngling erschreckt aus.
„Jetzt fängst auch Du an!“ schrie Martino Gerol. „Sofort her mit der Ziege!“
„Nein, gewiß nicht“, entgegnete der andere entschlossen und wich zurück.
„Ah, verflucht!“ Und der Graf stürzte sich auf den Jüngling, versetzte ihm einen Faustschlag mitten ins Gesicht, riß ihm die Ziege vom Rücken und schleuderte ihn zu Boden.
„Das werdet Ihr bereuen, sage ich Euch, das werdet Ihr bereuen!“ drohte sich wieder erhebend der Jüngling mit leiser Stimme, wagte jedoch nicht, sich zu widersetzen. Aber Gerol hatte ihm schon den Rücken zugewandt.
Die Sonne hatte jetzt die Mulde mit ihrem Feuer überfallen, und nur mühsam gelang es, die Augen offen zu halten, so sehr blendete die Rückstrahlung der gelben Kiesel, der Felsen und nochmals der Kiesel und der Steine, nichts, absolut nichts, auf dem die Blicke hätten ausruhen können.
Maria wurde immer durstiger, und trinken half nichts. „O Gott, welche Hitze!“ klagte sie. Auch der Anblick des Grafen Gerol begann ihr überdrüssig zu werden.
In der zwischenzeit waren Dutzende von Männern erschienen, wie wenn die Erde sie ausgestoßen hätte. Wahrscheinlich hatte das Gerücht, Fremde seien zum Burel aufgebrochen, sie aus Palissano hergelockt. Sie standen unbeweglich auf den Kämmen einiger roter Erdhügel und beobachteten schweigend.
„Ein schönes Publikum hast Du jetzt“, wandte sich Andronico mit dem Versuch zu scherzen an Gerol, der mit zwei Jägern verhandelte, die sich mit ihm über die ziege beugten.
Der Graf sah auf und erblickte die Unbekannten, die ihn anstarrten. Er schnitt eine Grimasse der Verachtung und wandte sich wieder der Arbeit zu.
Der Drache war entkräftet von der Felswand auf den Kiesgrund
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