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Sieben Erzaehlungen

Titel: Sieben Erzaehlungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dino Buzzati
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herabgeglitten und lag unbeweglich, nur sein aufgeblähter Bauch bebte.
    „Fertig!“ sagte einer der Jäger und er und Gerol hoben die Ziege von der Erde auf. Sie hatten dem Tier den Bauch geöffnet und eine Explosivladung eingeführt, die mit einer Zündschnur verbunden war.
    Man sah, wie jetzt der Graf furchtlos über dem Kieshügel vorwärtsschritt, sich dem Drachen bis auf eine Entfernung von nicht mehr als zehn Metern näherte, mit aller Ruhe die Ziege auf die Erde legte und wieder zurückging, wobei er die Zündschnur entrollte.
    Eine halbe Stunde mußte man warten, bis das Tier sich bewegte. Die unbekannten Männer, die auf dem Rand der Erdhügel standen, schienen Statuen zu sein, nicht einmal untereinander sprachen sie, und ihre Mienen drückten Mißbilligung aus. Unempfindlich gegen die Sonne, die äußerste Kraft gewonnen hatte, wandten sie die Blicke
    nicht von dem Reptil ab, fast als wenn sie es anflehen wollten, sich nicht zu bewegen. Stattdessen drehte sich der Drache, als er von einer Gewehrkugel am Rücken getroffen wurde, plötzlich um, erblickte die Ziege und schleppte sich langsam zu ihr hin. Er war im Begriff, den Hals zu recken und die Beute zu packen, als der Graf die Zündschnur in Brand steckte. Die kleine Flamme lief hurtig der Schnur entlang, erreichte ziemlich schnell die Ziege und löste die Explosion aus.
    Der Knall war nicht lärmend, viel weniger stark als die Schüsse der Feldschlange, ein trockener, aber gedämpfter Ton, wie von einem Brett, das man zerbricht. Aber der Körper des Drachen wurde von der Erschütterung zurückgeschlagen, und man konnte daher sehen, daß der Bauch aufgeschlitzt worden war. Der Kopf begann von neuem, sich qualvoll von rechts nach links zu bewegen, es schien, als ob er nein sagen wollte, daß es nicht gerecht sei, daß man allzu grausam gewesen sei und daß nun keine Hoffnung mehr bestehe.
    Wohlgefällig lachte der Graf, aber diesmal nur er allein. „Entsetzlich! Genug!“ rief die schöne Maria aus, das Gesicht mit den Händen bedeckend.
    „Ja“, sagte langsam der Gatte, „auch ich glaube, daß es böse enden wird.“
    Das Reptil lag, offensichtlich am Ende der Kräfte, in einer Pfütze schwarzen Blutes. Und jetzt nun: Zwei Fäden dunklen Rauches entquollen den Flanken, einer rechts und einer links, zwei schwere, sich mühsam nach oben erhebende Ausdünstungen.
    „Hast Du gesehen?“ fragte Andronico den Kollegen.
    „Ja, ich hab’s gesehen“, bestätigte der andere.
    „Zwei Luftlöcher in Art eines Blasebalges, wie beim Ceratosaurus, die sogenannten operculi hammeriani.“ „Nein“, sagte Fusti, „es ist kein Ceratosaurus.“
    In diesem Augenblick verließ der Graf den Schutz des Felsens, hinter den er sich gestellt hatte und näherte sich dem Drachen, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Er befand sich gerade in der Mitte des Kieskegels und wollte mit der Metallkeule ausholen, als alle Zuschauer ein Geheul ausstießen.
    Einen Augenblick lang glaubte Gerol, daß es sich um ein der Erlegung des Drachen geltendes Triumphgeschrei handele. Dann bemerkte er, daß sich etwas hinter seinem Rücken bewegte. Er sprang herum und sah, oh, wie lächerlich, sah zwei jammervolle Tierchen aus der Höhle stolpern und in ziemlich schnellem Laufe auf sich zukommen. Zwei kleine unförmige Kriechtiere, nicht länger als einen halben Meter, Miniaturausgaben des sterbenden Drachen. Zwei winzige Drachen, die Kinder, wahrscheinlich hatte der Hunger sie aus der Höhle hervorgelockt.
    Das war eine Sache weniger Augenblicke. Der Graf gab auf schönste Weise eine Probe seiner Behendigkeit. „Komm her“, schrie er, begeistert die Eisenkeule schwingend. Und nur zwei Schläge genügten. Geschwungen mit höchster Energie und Entschiedenheit, fuhr der Totschläger nacheinander auf beide kleinen Ungetüme herab, ihre Köpfe wie Glaskugeln spaltend. Beide erschlafften, tot, von weitem sahen sie wie Dudelsäcke aus.
    Die unbekannten Männer, jetzt entfernten sie sich, ohne den geringsten Laut von sich zu geben, herablaufend über die Kieselzungen. Man hätte sagen können, daß sie einer unerwarteten Drohung entflöhen. Sie verursachten keinen Lärm, veranlaßten keinen Bergsturz, wandten nicht einmal für einen Augenblick den Kopf zur Höhle des Drachen, verschwanden, wie sie gekommen waren, geheimnisvoll.
    Der Drache indessen bewegte sich, und es hatte den Anschein, daß es ihm nie und niemals gelingen würde zu sterben. Wie eine Schnecke kriechend näherte er sich den

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