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Sieben in einem Auto

Sieben in einem Auto

Titel: Sieben in einem Auto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Bübchen sein kleines Leben aushaucht. Gott wollte einen Engel, da nahm er dich! mag sie sich zum Tröste gesagt haben. Aber ist das ein Trost? Kann man eine Mutter trösten, die ihr Kind verliert? Nie und nimmer!! Am Morgen muß sie sich in das Unabänderliche schicken und das Unvermeidliche tun: sie muß den über und über mit Brandblasen bedeckten Leichnam zu Tal tragen, auf dem eigenen Rücken stundenlang zu Tal tragen! Ist das zu ermessen? Was mag sie dabei gedacht und empfunden haben! Wie bitter schwer muß ihr jeder Schritt über den steinigen Pfad gefallen sein! Durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine Schuld! hämmerte das Blut in ihren Adern. Und bei alledem, bei der Tragik dieses Dramas, weiß der in einer Fabrik für seine Familie sorgende Mann zu diesem Zeitpunkt noch nichts von dem Todesfall.
    Was für ein Schicksal!
    Heute ist die Frau alt und von Krankheit gezeichnet. Ein schweres Leiden, ich habe schon mal darüber berichtet, ist ihr auf die Sprache geschlagen und hat ihr die Stimme fast gänzlich genommen. Wir sind hier ihre Gäste. Ich bewundere sie, sie hat mein innigstes Mitgefühl.
    Deine Conny

 
    Zwei Tage lang regnete es. Aber niemand war darüber unmutig. Herr Heger knüpfte eine Schaukel an einen der Balken auf dem Flur und wußte es so einzurichten, daß nicht nur Jan und seine älteren Geschwister, sondern auch Stefan in seinem Tragesitz damit schaukeln konnte. Die Kinder, denen es zu langweilig wurde, spielten Gesellschaftsspiele oder saßen einfach nur vor dem Herdfeuer, das alle gemeinsam in Gang hielten, und erzählten sich was. Sascha kam während dieser Zeit endlich dazu, in seinen Büchern zu lesen, und Frau Heger verbrachte manche Stunde bei der alten Frau Pfister, mit der sie sich wunderbar verstand.
    Als nach drei Tagen die Sonne wieder schien, zaghaft noch, so, als wisse sie selbst nicht recht, ob sie bleiben oder lieber wieder hinter grauen Wolken verschwinden solle, machte Herr Heger mit allen Kindern einen kleinen Spaziergang den Weg hinauf. Eigentlich wollte er nur den Kinderwagen ausprobieren, den Frau Pfister für den kleinen Stefan von einer Nachbarin ausgeliehen hatte.
    Frau Heger blieb zu Hause. Sie wollte sich in der Küche ein Wannenbad bereiten und sich dabei von niemandem stören lassen.
    Kaum hatte sie indessen mit dem Baden begonnen, da klopfte es an die Tür.
    „Wer ist da, bitte?“ fragte sie.
    „Ich bin’s“, antwortete jemand, „der Postbote! Ich hab einen Brief für Sie!“
    „Ausgerechnet jetzt!“ murmelte Frau Heger unwillig. Und laut: „Legen Sie ihn bitte auf die Türschwelle, ich bin grad ausgezogen!“
    „Is recht“, rief der Postbote. „Er wird scho net davonwehen, ich leg einen Stein drauf.“
    Wer kann uns denn schreiben? dachte Frau Heger. Ich hab doch niemandem unsre neue Anschrift gegeben, oder? Und dann gleich einen Brief! Einen Kartengruß, ja, damit rechnet man in den Ferien, aber doch nicht mit einem Brief! Sie beeilte sich mit dem Baden, die Neugier ließ ihr keine Ruhe mehr. Im Morgenmantel holte sie den Brief herein. Österreichischer Rundfunk, Studio Tirol, las sie auf dem Umschlag und war sofort im Bilde. Das konnte nur eine Antwort auf das Hörspielangebot sein! Hastig riß sie den Umschlag auf, entfaltete den Brief und las.
     
    Sehr geehrter Herr Heger,
    zufällig hatten wir Gelegenheit, Ihr ausgezeichnetes Hörspiel „Die Maschine wächst“ in das Sommerprogramm zu nehmen. Es wäre für den kommenden Samstag, 20 Uhr, Regional, zur Ausstrahlung vorgesehen. Als Honorar bieten wir Ihnen nach unseren Sätzen S 4700.-.
    Falls Sie einverstanden sind, bitten wir um Ihren Besuch.
     
    Mit vorzüglicher Hochachtung
    ÖSTERREICHISCHER RUNDFUNK
    Gesellschaft m. b. H.
    Dr. Gert Rydl
     
    „Na, also!“ rief Frau Heger freudig. „Ich wußte doch, daß die Österreicher Sinn für Humor haben!! Und Wolf wollte noch mal was dran ändern, um es den Nordlichtern mundgerecht zu machen! Pustekuchen! Na, der wird Augen machen!“
    Herr Heger hatte festgestellt, daß sich der Kinderwagen auf dem asphaltierten Teil des Weges gut berganschieben ließ, auf der geschotterten Strecke jedoch nur zu ziehen war. Als er mit seinen Kindern an einem der reißenden Bäche eine kurze Rast machte, schlug Sascha ihm und den Geschwistern vor, im Bachbett den Berg hinaufzusteigen. Ein Bach fließe immer auf dem kürzesten Weg zu Tal, behauptete er, und mache keine Umwege. Das hätte Herr Herbach ihnen genauestem erklärt. Wenn sie darum im

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