Sieben Jahre Sehnsucht
Finger zitterten, als sie das Etui öffnete und eine mit Juwelen verzierte Brosche von beträchtlichem Wert enthüllte. Ihre gequälte Miene veranlasste Michael dazu, einen Blick auf die Karte zu werfen. Er konnte das Gekritzel kaum entziffern, doch Verzeih mir! war deutlich lesbar. Er spannte sich an, und durch seinen Kopf jagten tausend Fragen.
»Und?«, fragte Lady Bencott. »Spannen Sie uns nicht länger auf die Folter. Was ist es, und wer hat es Ihnen geschickt?«
Hester legte die Brosche in die ausgestreckte Hand der Countess. »Es ist natürlich von Regmont.«
Während die Brosche herumgereicht und bewundert wurde, dachte Michael bei sich, dass Hesters breites Lächeln gezwungen wirkte. Und ihre geisterhafte Blässe gab ebenfalls Anlass zur Sorge.
Hastig verabschiedete er sich. Er konnte den Gedanken nicht ertragen, dass in Hesters Leben irgendetwas nicht stimmte und er nicht das Recht hatte, etwas dagegen zu unternehmen.
Es war später Nachmittag, und Jessica hatte sich immer noch nicht an Deck gezeigt.
Alistair musste sich beherrschen, um nicht vor lauter Unruhe auf und ab zu laufen. Falls sie beschlossen haben sollte, ihn auf dem Schiff zu meiden, würde es schwer sein, sie zu umwerben, doch er war kein Mann, der eine Niederlage ohne Murren akzeptierte. Er hatte vor, auf der Überfahrt ein harmonisches Verhältnis zu ihr aufzubauen, und er würde eine Möglichkeit finden, dies zu tun. Es musste Wege geben, um wenigstens das Fundament für eine tiefere Verbindung zu legen. Er musste nur den Schlüssel zu ihrem Inneren finden. Gestern Abend hatte er gedacht, er könne ihren Widerstand mit unumwundener Offenheit aufweichen, aber vielleicht hatte er sie falsch eingeschätzt.
Er umfasste das Dollbord – die Abschlussplanke des Bootsrands – und blickte auf das Meer hinaus. Es erinnerte ihn an Jessicas Augen, denn es war ebenso grau und unergründlich.
Bei Gott, sie war hinreißend.
Er entsann sich, wie sie zum Abendessen die Kapitänskabine betreten hatte. Sie hatte die Atmosphäre in Schwingung versetzt, sodass er ihr Kommen tatsächlich gespürt hatte. Die Intensität und die Hitze ihres Blickes waren über seinen Rücken gestrichen wie eine Berührung. Er hatte sich für sie absichtlich so positioniert, ohne Frack und in sein Geigenspiel vertieft. Er wollte, dass sie ihn als den Mann sah, der er inzwischen war – kultiviert und gebildet. Geschliffen. Seine Darbietung war als Auftakt für eine langsame, sorgfältige vorbereitete Verführung gedacht gewesen.
Doch dann hatte sie ihn mit ihrer Schönheit bis ins Mark erschüttert. Stolz war sie vor ihm gestanden, das goldblonde Haar hochgesteckt, die blasse Haut so makellos wie feinstes Porzellan, der schlanke, geschmeidige Mädchenkörper zu dem einer Frau herangereift … Volle, hoch angesetzte Brüste. Eine Wespentaille. Lange Beine, deren Anblick in ihm das Verlangen weckte, sie um seine Hüften zu schlingen. Sie hatte etwas ungemein Verletzliches an sich, das an seine primitivsten Instinkte rührte.
Er wollte sie erobern. Sie besitzen.
Als sie ihn dann erkannte, verriet ihre Miene, dass sie sich an alles erinnerte. Vor sieben Jahren hatte sie ihn begehrt. Das könnte er als Vorteil nutzen, wenn er es geschickt einfädelte.
»Guten Tag, Mr. Caulfield.«
Verdammt. Selbst der Klang ihrer Stimme regte seine Fantasie zu lüsternen Bildern an. Ihr Ton war ebenso präzise und beherrscht wie ihr gesamtes Verhalten. Er wollte sie so in Erregung versetzen, dass ihre Stimme weicher wurde. Kehliger. Er wollte hören, wie sie seinen Namen mit vor Lustschreien heiserer Stimme hervorstieß.
Er holte tief Luft und wandte sich ihr zu. »Lady Tarley, Sie machen einen erholten Eindruck. Haben Sie gut geschlafen?«
»Ja, vielen Dank.«
Sie sah nicht nur erholt aus, sondern atemberaubend schön. Mit ihrem dunkelblauen Kleid und dem hübschen Sonnenschirm wirkte sie auf dem Schiffsdeck wie eine Fata Morgana. Gebannt von ihrer Schönheit konnte Alistair sich gar nicht an ihr sattsehen. Aber das ginge bestimmt jedem Mann so, der Augen im Kopf hatte. Sie war in jeder Beziehung vollkommen.
Jessica trat neben ihn ans Dollbord, legte ihre behandschuhte Hand auf die Planke und sah auf das weite Meer hinaus. »Ich bin schon als Kind gern auf Segelschiffen gefahren«, stieß sie atemlos hervor. »Es hat etwas unendlich Befreiendes, wenn die Sicht durch nichts eingeengt wird. Wenn man allein reist, könnte man sich inmitten dieser Weite auch einsam fühlen, doch auf
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