Sieben Jahre Sehnsucht
unter dem Mond …«, murmelte sie. »Was für ein zauberhafter Name für eine Plantage.«
»Ja.« Sein Lächeln barg ein Geheimnis. »Halten Sie mich ruhig für sentimental.«
Eine Gänsehaut überzog Jessicas Arme. Schon wieder schien er auf jene Nacht im Pennington-Wald anzuspielen. Aber sollte es tatsächlich so sein, so machte er das nicht auf die Art, die sie erwartet hätte. Sein Ton war warm und vertraut, nicht spöttisch oder anzüglich.
Doch warum sollte so ein anstößiger Zwischenfall für ihn von sentimentalem Wert sein?
Caulfield hob das Glas an die Lippen, den Blick unverwandt auf Jessica gerichtet. In seinen blauen Augen lag tiefe Wertschätzung, die sie wie Sonnenstrahlen auf der Haut spürte.
Sie überdachte noch einmal ihre eigene Meinung zu jener Nacht. Es war eine anrüchige Darbietung gewesen, und lange Zeit hatte sie nur diesen Aspekt sehen können. Aber in jenen Momenten, als sie in den Augen des anderen versanken, war … ja, es war noch etwas anderes da gewesen. Sie konnte es weder verstehen noch benennen oder erklären, und deshalb machte es ihr Angst. Würde ihr jemand den Zwischenfall beschreiben, wäre sie entsetzt und angeekelt. Doch sie hatte es selbst erlebt und großen Gewinn für sich herausgezogen, denn jene Nacht und das darauf folgende Gespräch mit Tarley hatten ihr Leben unwiderruflich verändert. Durch das Erlebnis war sie sich bislang unbekannter Bedürfnisse bewusst geworden, und ihr entfesseltes Verlangen hatte ihr den Mut verliehen, dem Mann, den sie heiraten würde, diese Bedürfnisse anzuvertrauen. Ihre sechs Jahre währende Ehe war nicht zuletzt deshalb unendlich erfüllend gewesen. Vielleicht hatte Alistair ebenfalls etwas daraus gewonnen? Sie hoffte, sie würde irgendwann den Mut aufbringen, ihn dies zu fragen.
»Warum hat dann Tarley Sklaven für sich arbeiten lassen, obwohl es andere Möglichkeiten gegeben hätte?«, fragte sie, um das Gespräch auf eine sachlichere Ebene zu lenken.
»Denken Sie nicht schlecht über ihn«, antwortete Alistair. »Er war nicht direkt für die Aufsicht verantwortlich. Auf der Plantage gibt es einen Vorarbeiter und einen Verwalter, die für solche Dinge zuständig sind, und sie versuchen vor allem, die Interessen ihres Arbeitgebers zu wahren.«
»Anders gesagt, möglichst viel Profit herauszuschlagen.«
»Das ist ein und dasselbe, meinen Sie nicht?« Er beugte sich vor und sah sie ernst an. »Ich hoffe, Sie verstehen das. Ideale sind schön und gut, doch sie können einen nicht ernähren, kleiden und wärmen.«
»Aber Sie halten keine Sklaven«, argumentierte Jessica. Der Gedanke behagte ihr nicht, dass ihre Gewänder und Juwelen, ihre Kutsche und eine Vielzahl anderer Luxusgüter auf Kosten der Arbeitskraft von Sklaven erworben worden waren. Sie wusste nur allzu gut, wie es sich anfühlte, wenn man völlig machtlos und ganz der Gnade und den Launen von jemand anderem ausgeliefert war.
»Dank meiner anderen Geschäfte habe ich diesbezüglich mehr Handlungsspielraum.«
»Verstehe ich es also richtig, dass Ideale ihren Preis haben? Diejenigen, die genug Geld haben, können sich Ideale erlauben, während die anderen, die nicht über solche Mittel verfügen, ihre Ideale – zugespitzt formuliert – verkaufen müssen?«
»Es ist nicht romantisch«, bemerkte er ungerührt, »doch es ist die Wahrheit.
Da war er wieder. Der junge Mann, der keine Herausforderung ausließ und sich gegen bare Münze als Deckhengst zur Verfügung stellte. Sie hatte sich schon gefragt, wo er geblieben sein mochte, und nun erkannte sie, dass er nie fort gewesen war. Er hatte lediglich etwas Politur aufgetragen, um die rauen, ungehobelten Seiten zu verbergen.
»Sehr aufschlussreich«, murmelte sie und trank einen großen Schluck Wein.
Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit verabschiedete sie sich und eilte auf direktem Weg zu ihrer Kabine. Am liebsten wäre sie gerannt, aber das ziemte sich nicht, und so ging sie so schnell, wie es gerade noch schicklich war.
»Jessica.«
Der Klang von Alistairs tiefer Stimme und die Art, wie er ihren Namen beinahe kosend raunte, ließ sie schwach werden. Doch sie wartete, bis sie an ihrer Kabinentür angelangt war, ehe sie stehen blieb und ihn ansah. »Ja, Mr. Caulfield?«
Wie am Abend davor nahm er in dem schmalen Korridor den gesamten Raum ein. »Es war nicht meine Absicht, Sie zu kränken.«
»Natürlich nicht.«
Obwohl er äußerlich gefasst wirkte, verriet die heftige Bewegung, mit der er mit der Hand
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