Sieben Jahre Sehnsucht
worden ist«, versuchte Jess ihre Zofe zu beruhigen.
»Warum dann die Panik?«
»Die Vorbereitung auf eine mögliche Gefahr ist kein Zeichen von Schwäche oder Angst«, erwiderte Jess bestimmt. »Sollen wir den Piraten nicht unseren Kampfeswillen zeigen?«
»Am besten zeigen wir ihnen gar nichts von uns.«
Jess deutete auf die Kiste mit dem Bordeaux. »Trink ein Glas. Ich bin gleich wieder da.«
Beherzt warf sie sich in das Gedränge und ließ sich mit dem Strom nach oben auf das offene Deck treiben. Sie drehte sich einmal im Kreis herum und hielt nach allen Seiten Ausschau, sah aber nichts außer der grauen Weite des Meeres. Dafür bot sich ihr oben auf der Acheron ein geradezu atemberaubender Anblick – Alistair steuerte eigenhändig das Schiff und sah dabei selbst wie ein verwegener Pirat aus. Ohne Frackjacke und Weste stand er auf dem Achterdeck, die Beine weit gespreizt und ein Entermesser um die schmalen Hüften geschnallt.
Jessica konnte sich gar nicht sattsehen. Der Wind peitschte durch sein rabenschwarzes Haar und blies die weiten Ärmel seines Leinenhemdes auf. Etwas Gefährliches, Waghalsiges ging von ihm aus, das ihren Herzschlag zum Rasen brachte.
Er bemerkte sie. Ein wilder Ausdruck glitt über seine Züge. Dann schüttelte er den Kopf, was sowohl eine Aufforderung zum Gehen als auch zum Näherkommen bedeuten konnte.
Vorsichtig bewegte sich Jess durch das chaotische Durcheinander auf ihn zu und war völlig atemlos, als sie bei ihm ankam. Er packte sie am Handgelenk und zog sie zu sich heran.
»Hier oben ist es zu gefährlich.« Seine Stimme erhob sich über den Lärm, ohne dass er zu schreien brauchte. »Gehen Sie nach unten und halten Sie sich von den Bullaugen fern.«
Erneut blickte sie suchend auf das Meer hinaus und rief: »Ich sehe keine Piraten. Wo sind sie?«
Ehe sie merkte, was er vorhatte, schob er sie vor sich hin. Sie stand nun zwischen dem Steuer und seinem Körper. »Viel zu nah«, antwortete er.
Ja, das war er. »Was tun Sie da?«
Er senkte den Mund zu ihrem rechten Ohr und sagte: »Da Sie offenbar beabsichtigen, sich auch unter derart riskanten Bedingungen mit mir zu unterhalten, muss ich Sie schützen.«
»Das ist nicht nötig. Ich werde sofort gehen und –«
Ein lautes Donnern schnitt ihr das Wort ab. Gleich darauf schlug eine Kanonenkugel im Meer hinter ihnen ein und ließ das Wasser in einer hohen Fontäne aufspritzen.
»Zu spät.« Sein Körper blockierte jeden Fluchtweg, drückte sich hart wie Stein, aber von der Sonne erwärmt gegen ihren Rücken. »Ich kann Ihr Leben nicht aufs Spiel setzen.«
Jeder Atemzug, den er nahm, blies über ihr Ohr und jagte prickelnde Schauer über ihren Rücken. Eigentlich durfte es nicht sein, dass sie inmitten so vieler fremder Leute erregt wurde, doch ihre harten, aufgerichteten Brustwarzen, die beinahe schmerzhaft gegen das Musselinmieder scheuerten, erzählten etwas anderes.
Alistair spannte den Arm an, zog Jess noch enger an sich. Ihre Brüste quollen über seinen Unterarm. Hinter sich spürte sie unmissverständlich seine körperliche Reaktion auf sie.
Zwischen Alistair Caulfield – einem notorischen Verführer, der auf sämtliche gesellschaftlichen Regeln pfiff – und ihr befanden sich nur noch dünne Lagen von Stoff. Jess wünschte, es wäre gar nichts mehr zwischen ihnen. Sie vermisste das Gefühl, von einem kraftvollen männlichen Körper umfangen zu werden, ihn in sich zu spüren …
Ein Jahr ohne Mann und schon war sie wie Wachs in den Händen eines erfahrenen Frauenhelden.
Großer Gott … ein Jahr. Der Todestag! Sie erstarrte, als ihr Tag und Monat einfielen. Morgen würde sich Tarleys Todestag zum ersten Mal jähren. Sein Tod war erst ein Jahr her. Und sie stand hier und drückte ihr Hinterteil gegen einen Mann, dessen Absichten alles andere als ehrenhaft waren, und dachte die ganze Zeit nur daran, dass sie sich seit sieben Jahren nicht mehr so … lebendig gefühlt hatte. Ihr Verlangen war ein himmelschreiender Verrat. Sie war die Witwe eines edlen Mannes, der ihr eine Art von innerem Frieden und Sicherheit gegeben hatte, wovon sie niemals zu träumen gewagt hätte. Ein Mann, der sie aufrichtig liebte. Warum fühlte sie sich dann so sehr zu dem leichtfertigen Lebemann hinter ihr hingezogen? Und war von ihm auf eine Art fasziniert, wie sie es bei ihrem geliebten Gatten nie erlebt hatte?
Alistair spürte die Veränderung in ihrem Verhalten und fragte: »Jessica?«
Rechts von ihr brüllte ein Matrose, und Jess
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