Sieben Jahre Sehnsucht
Gefühl von Intimität übermächtig.
Und sicher nur in seinem Kopf vorhanden.
Zumindest glaubte er das, bis er das Taschentuch sah, das sie auf ihrem Schoß glatt strich. Sie hatte ihm einmal in jungen Jahren ein Taschentuch als Liebespfand gegeben, als sie gespielt hatten, er sei ein Ritter und sie die holde Maid. Das war sehr lange her. In einem anderen Leben.
»Sind Sie gekommen, um mir ein Andenken zu geben, das ich in die Schlacht mitnehmen kann?«, fragte er, um einen leichten Ton bemüht.
Eine Weile sah sie ihn schweigend an; sie wirkte zerbrechlich und schön in dem zartgrünen Mantel, der mit einer Bordüre in einer dunkleren Farbe versehen war. Sie seufzte. »Ich kann Sie beide von dem Vorhaben nicht abbringen, nicht wahr?«
Ihr bekümmerter Ton ließ ihn aufmerken, und er beugte sich vor. Nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, wie sehr sie sich verändert hatte; ihr einst so heiteres, überschäumendes Naturell schien von einer tiefen Traurigkeit überschattet zu sein. »Warum bereitet Ihnen ein einfacher Boxkampf derartige Sorgen?«
Sie rang die behandschuhten Hände in ihrem Schoß und nahm sie wieder auseinander. »Gleichgültig, wer gewinnt oder verliert, es wird kein gutes Ende nehmen.«
»Hester –«
»Regmont wird den Kampf vermutlich ganz spielerisch beginnen«, fuhr sie tonlos fort, »aber sobald er Ihr Können eingeschätzt hat, wird er konzentriert vorgehen. Wenn er nicht die Oberhand über Sie gewinnt, könnte er seinem Zorn erliegen. Nehmen Sie sich in Acht, sollte das eintreten. Er wird seine Technik vernachlässigen und nur noch kämpfen, um zu gewinnen, und sei es mit unsauberen Methoden.«
Michael war wie vom Donner gerührt.
»Ich würde diese Dinge zu niemand anderem sagen.« Sie hob ihr Kinn, was ihre würdevolle Anmut betonte. »Doch ich vermute, Sie werden im Ring überlegter sein. Besonnener. Sie werden die Regeln beachten, und dies, fürchte ich, wird Sie daran hindern, die wirklichen gefährlichen Schläge vorherzusehen.«
»Seinem Zorn erliegen gegen wen?« Er hatte kein Recht, dies zu fragen, aber er konnte sich nicht länger zurückhalten. »Werden Sie misshandelt, Hester?«
»Ich sorge mich um Sie«, ermahnte sie ihn mit einem bemühten Lächeln, das nicht dazu angetan war, Michaels Verdacht zu entkräften. »Sie sind derjenige, der unbedingt in den Boxring steigen will.«
Hatte Michael sich vor wenigen Minuten einfach nur auf den Kampf gefreut, war er nun wild entschlossen zu gewinnen.
Sie hielt ihm das Taschentuch entgegen, entriss es ihm jedoch, als er es ergreifen wollte. »Wenn Sie das Tüchlein haben wollen, müssen Sie versprechen, mich zu besuchen.«
»Das ist Erpressung«, stieß er rau hervor. In ihrer ausweichenden Antwort sah er seinen Verdacht bestätigt. Sein Blut kochte. Sie glaubte, er sei besonnen und handle wohlüberlegt? Weit gefehlt!
»Nötigung«, verbesserte sie ihn. »Nur damit ich mich mit eigenen Augen davon überzeugen kann, dass Sie nicht über Gebühr verletzt sind.«
Von einem Gefühl der Ohnmacht überwältigt biss Michael die Zähne zusammen. Es gab für ihn keine Möglichkeit einzugreifen. Was ein Mann mit seiner Gattin machte, war dessen Privatsache. Michael blieb nur das, was er vor einer Woche angeregt hatte – einige viel zu kurze Momente in einem Boxring, in denen er Regmont nach Herzenslust verprügeln konnte. »Ich verspreche Ihnen, Sie zu besuchen.«
»Noch vor Ende der Woche«, beharrte sie, die grünen Augen in eindringlichem Flehen verengt.
»Ja.« Mit heftiger Gebärde nahm er das Taschentuch entgegen. Das in eine Ecke gestickte »H« machte das Pfand noch persönlicher. »Danke.«
»Seien Sie vorsichtig. Bitte.«
Mit knappem Nicken stieg er aus dem Landauer. Er fuhr ab, noch bevor Michael die breite Eingangstreppe des Remington-Herrenklubs betreten hatte.
»Lassen Sie sich von seiner Größe nicht täuschen.«
Auf und ab hüpfend, um sich locker zu machen, sah sich Michael nach dem Mann um, der das gesagt hatte. Es war der Earl of Westfield, ein Peer, der wie Michael ein begehrter Junggeselle war und entsprechend viel Aufmerksamkeit erhielt. Mit seinem guten Aussehen und seinem Charme wurde der Earl von Frauen und Männern gleichermaßen umschwärmt. »An diesem Mann vermag mich nichts zu täuschen.«
»Interessant«, bemerkte Westfield versonnen. Er betrat den acht mal acht Fuß großen Boxbereich, der durch aufgemalte Linien auf dem Parkett gekennzeichnet war. »Da bin ich froh, dass ich auf Sie gesetzt
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