Sieben Jahre Sehnsucht
Sie strich mit den Fingern durch sein Haar. »Und bedenke, wie du diese harte Dressur in nur zwei Wochen aufgeweicht hast.«
»Ich möchte dich aufweichen.«
»Das hast du bereits.« Mit jeder Stunde, die verstrich, fühlte sie sich freier. Ähnlich dem Gefühl, wenn sie am Ende eines langen Tages ihr Korsett ablegte. Allmählich begann sie daran zu zweifeln, ob sie sich den gesellschaftlichen Zwängen jemals wieder klaglos beugen könnte. »Macht dir das Angst? Oder kühlt dein Interesse dadurch ab? Langweilt dich die fehlende Herausforderung, wenn ich dir so bereitwillig in die Arme falle?«
»Du forderst mich in jedem Moment heraus, Jess. Und genauso oft machst du mir Angst.« Er bettete den Kopf an ihre Brust. »Ich kenne mich mit Abhängigkeit nicht aus, aber ich merke, ich bin von dir abhängig.«
Jess schlang die Arme um seine breiten Schultern und legte das Kinn auf seinen Kopf. Sie hätte ahnen müssen, dass ein Mann wie Alistair, der niemals etwas halbherzig machte, seine Zuneigung mit derselben Hingabe verschenkte. Sie hatte allerdings nicht erwartet, dass er bereit war, sich auf eine einzige Frau festzulegen, wo er doch jede haben könnte. »Ich gestehe, ich habe Angst. Alles hat sich so schnell verändert.«
»Ist das so schlimm? Warst du vorher so glücklich?«
»Ich war nicht unglücklich.«
»Und jetzt?«
»Ich erkenne mich selbst nicht wieder. Wer ist diese Frau, die auf dem Schoß eines Lebemanns sitzt und ihre sexuellen Dienste mit derselben Leichtigkeit anbietet wie eine Tasse Tee?«
»Sie gehört mir, und ich kann sie gut leiden.«
»Das hätte ich mir denken können, du ungezogener Schlingel.« Sie schmiegte die Wange in sein Haar. »Hat deine Mutter dich sehr geliebt, Alistair? Hast du deshalb diese Gabe, eine Frau zu beglücken?«
»Sie hat mich vergöttert, trotz des Ungemachs, das sie durch meine Empfängnis und Geburt erleiden musste. Ich würde alles tun, um sie glücklich zu machen.«
»Würde sie sich nicht über Enkelkinder freuen?«
Er lehnte sich zurück und sah sie an. »Dafür ist Baybury als Erbe verantwortlich. Er wird für Enkel sorgen.«
»Und wofür bist du verantwortlich?«, hakte sie nach, mit dem Daumen zart über seine Wange streichend.
»Der Sündenbock der Familie sein, hübsche junge Witwen verderben und sie zur Sünde verführen.«
Sie küsste ihn. Die Lippen an seinem Mund, flüsterte sie: »Während ich dafür verantwortlich bin, dass du auf dem rechten Weg bleibst, den du in den letzten Jahren eingeschlagen hast.«
Er strich mit seinen kräftigen Händen über ihren Rücken. »Was geben wir doch für ein Paar ab. Die liederliche Witwe und der bekehrte Lebemann.«
Jess spürte ein nervöses Flattern im Magen, doch sie unterdrückte das Gefühl, redete sich ein, es sei noch genügend Zeit, um sich mit der brutalen Wirklichkeit ihrer Beziehung auseinanderzusetzen. So vieles war in so kurzer Zeit geschehen, und es lag immer noch ein langer Weg vor ihnen, ehe man mit Sicherheit sagen könnte, ob sie diesen Weg auch in Zukunft gemeinsam gehen wollten. In der Zwischenzeit würde sie sich Alistairs Führung anvertrauen. Wenn ihr Glück nur vorübergehend sein sollte, konnte sie nichts daran ändern. Es war zu spät für sie, um einen Rückzieher zu machen.
Sie drückte ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. »Und jetzt lass uns endlich ein Gläschen Bordeaux trinken.«
16. Kapitel
»Verzeihung, Lord Tarley.«
Den Fuß auf der ersten Stufe des Remington-Herrenklubs blieb Michael stehen, drehte sich um und sah sich einem Kutscher gegenüber, der mit dem Hut in den Händen am Straßenrand stand. »Ja?«
»Mylady bittet um einen Moment Ihrer Zeit, wenn Sie so freundlich wären.«
Hinter dem Kutscher entdeckte Michael einen Landauer mit zugezogenen Vorhängen. Vor Hoffnung und Erwartung beschleunigte sich sein Herzschlag. Darin könnte sich zwar auch eine dreiste Debütantin befinden, doch Michael wünschte inniglich, es sei Hester.
Mit einem Nicken kam er der Aufforderung nach und näherte sich der Kutsche. Vor der Tür blieb er stehen. »Kann ich behilflich sein?«
»Michael. Bitte steigen Sie ein.«
Beinahe hätte er vor Freude gelächelt, hielt sich jedoch zurück. Er öffnete die Tür, stieg hinein und setzte sich auf den Polstersitz gegenüber von Hester. Der Duft ihres Parfüms erfüllte das enge Innere des Landauers. Obwohl das Sonnenlicht durch die Vorhänge hindurchsickerte und genügend Helligkeit schuf, um etwas sehen zu können, war das
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