Sieben Jahre später
immer schwieriger, wieder eine Verbindung aufzubauen.
Doctor Crane: Wenn sich deine Eltern haben scheiden lassen, dann deshalb, weil sie nicht mehr glücklich miteinander waren.
Jeremy: Das ist doch Quatsch! Glauben Sie, dass sie jetzt glücklicher sind? Meine Mutter schluckt Tabletten, und mein Vater ist todtraurig. Der einzige Mensch, der ihn zum Lachen bringen konnte, war meine Mutter. Es gibt jede Menge Fotos aus der Zeit vor ihrer Scheidung, und da sieht man sie beide lachen. Jedes Mal, wenn ich mir die anschaue, kommen mir die Tränen. Vorher waren wir eine richtige Familie, die vereint war und zusammenhielt. Nichts konnte uns etwas anhaben.
Doctor Crane: Weißt du, dass das ein klassisches Phänomen ist?
Jeremy: Was?
Doctor Crane : Dass Kinder aus geschiedenen Ehen die Partnerschaft ihrer Eltern idealisieren.
Jeremy erwiderte nichts.
Doctor Crane: Du bist nicht Cupido, Jeremy. Du darfst nicht hoffen, dass sie wieder zusammenkommen. Du musst mit der Vergangenheit abschließen und die Realität akzeptieren, so wie sie ist.
Jeremy schwieg.
Doctor Crane: Hast du verstanden, was ich gesagt habe? Du darfst dich nicht in die Beziehung deiner Eltern einmischen. Du kannst sie nicht wieder zusammenbringen.
Jeremy: Aber wenn ich es nicht tue, wer dann?
Die Frage des Jungen blieb ohne Antwort. In diesem Augenblick ließ der Klingelton seines Handys Santos aufschrecken. Er sah auf das Display. Es zeigte die Nummer einer Dienststelle des NYPD an.
»Santos«, sagte er, als er das Gespräch entgegennahm.
»Keren White, ich hoffe, ich wecke Sie nicht, Kommissar.«
Die Anthropologin des Dritten Reviers. Endlich …
»Ich habe eine gute Nachricht für Sie«, fuhr sie fort.
Der Cop spürte einen Adrenalinstoß. Eilig verließ er das Zimmer und lief die Treppe hinunter.
»Wirklich?«
»Ich glaube, ich habe den Ursprung der Tätowierungen Ihrer Leiche herausgefunden.«
»Sind Sie im Revier? Dann komme ich vorbei«, rief er und schloss die Wohnungstür hinter sich.
Kapitel 49
Als Constance wieder zu sich kam, stellte sie verwundert fest, dass sie in ihrem eigenen Bett lag.
Man hatte ihr die Schuhe und den Blouson ausgezogen und das Holster abgenommen. Die Vorhänge waren zugezogen, doch die Tür war nur angelehnt. Sie lauschte und hörte aus dem Wohnzimmer flüsternde Stimmen. Wer hatte sie nach Hause gebracht? Botsaris? Sanitäter? Die Feuerwehr?
Sie schluckte mühsam. Ihre Zunge war pelzig und trocken, die Glieder waren steif, ihr Atem ging stoßweise. Ein stechender Schmerz pochte in ihrer rechten Schläfe. Sie sah auf ihren Radiowecker: Mittag. Sie war mehr als zwei Stunden bewusstlos gewesen …
Sie versuchte aufzustehen, doch ihre rechte Körperhälfte war schwer, schmerzte und kribbelte. Plötzlich bemerkte sie, dass ihr rechter Arm mit einer Handschelle am Kopfende des Bettes angekettet war!
Aufgebracht versuchte sie, sich loszumachen, doch das alarmierte nur die Geiselnehmer.
»Beruhigen Sie sich!«, sagte Nikki, die mit einem Glas Wasser das Zimmer betrat.
»Was, zum Teufel, tun Sie in meinem Haus!«
»Wir wussten nicht, wo wir sonst hingehen sollten.«
Constance richtete sich ein wenig auf, um zu Atem zu kommen. »Woher haben Sie meine Adresse?«
»Wir haben einen Postnachsendeantrag in Ihrer Brieftasche gefunden. Anscheinend sind Sie erst vor Kurzem umgezogen. Hübsches Haus übrigens …«
Die Kommissarin musterte die Amerikanerin herausfordernd. Sie war etwa so alt wie sie selbst. Ähnlich feine Züge und hohe Wangenknochen, ähnlich helle Augen mit tiefen Schatten darunter, die von Müdigkeit und Stress zeugten.
»Hören Sie, ich glaube, ich verstehe Ihre Motive nicht wirklich. Wenn ich nicht bald von mir hören lasse, werden meine Kollegen in Kürze hier auftauchen und das Haus umstellen.«
»Das glaube ich kaum«, unterbrach Sebastian sie, der ebenfalls das Zimmer betreten hatte.
Constance stellte voller Bitterkeit fest, dass er ihre Krankenakte in der Hand hielt.
»Sie haben nicht das Recht, in meinen Sachen herumzuschnüffeln«, brauste sie auf.
»Es tut mir aufrichtig leid, dass Sie krank sind, aber ich denke nicht, dass Sie in offizieller Mission unterwegs waren«, unterbrach Sebastian sie ruhig.
»Sie schaden sich nur selbst!«
»Tatsächlich? Seit wann nehmen Polizisten Verhaftungen in ihrem Privatwagen vor?«
Constance schwieg.
»Seit wann ist ein Cop bei einem Einsatz allein?«
»Wir haben momentan Personalprobleme«, entgegnete sie trotzig.
»Ah, das habe ich
Weitere Kostenlose Bücher