Sieben Jahre später
Stunden noch festnehmen. Warum sollten Sie Ihre Meinung jetzt geändert haben?«
Constance zuckte die Achseln und klickte auf »Senden«.
»Weil ich Ihnen Ihre Geschichte glaube. Und seien wir realistisch: Sie haben wirklich keine andere Wahl, als mir zu vertrauen …«
Kapitel 50
Während sie ihre Notizen noch einmal durchlas, rauchte Constance eine Zigarette nach der anderen. Wie eine Studentin, die ihre Arbeit korrigierte, unterstrich und kringelte sie ein, schrieb neu, machte Pfeile in der Hoffnung auf Denkanregungen und eine zündende Idee.
Langsam zeichnete sich eine Spur ab. Doch das Klingeln des Telefons hinderte sie daran, ihr weiter nachzugehen. Sie sah auf das Display. Es war Maréchal.
Sie hob ab und schaltete den Lautsprecher ein, damit auch Nikki und Sebastian das Gespräch verfolgen konnten. Maréchals einschmeichelnde und selbstsichere Stimme ertönte im Wohnzimmer.
»Hallo, Constance.«
»Salut, Franck.«
»Hast du dich vielleicht doch entschlossen, meine Einladung zum Abendessen anzunehmen?«
»Ja, ich würde mich sehr freuen, endlich deine Frau und deine Kinder kennenzulernen.«
»Ähm … na ja, du weißt genau, was ich meine …«
Constance schüttelte den Kopf. Maréchal war ihr Ausbilder an der Polizeischule Cannes-Écluse gewesen. Kurz nach ihrem Examen hatten sie ein leidenschaftliches und zerstörerisches Verhältnis gehabt. Jedes Mal, wenn sie sich von ihm zu trennen drohte, versprach Franck ihr, sich scheiden zu lassen. Zwei Jahre lang hatte sie ihm geglaubt und ihn dann, des Wartens überdrüssig, verlassen.
Aber Franck hing noch immer an ihr. Alle halbe Jahre versuchte er sein Glück aufs Neue, auch wenn seine Avancen bislang fruchtlos geblieben waren.
»Hör zu, Franck, ich habe nicht viel Zeit.«
»Bitte, Constance, gib mir eine …«
Sie unterbrach ihn schroff: »Lass uns zur Sache kommen, ja? Das Video, das ich dir geschickt habe, stammt nicht von den Überwachungskameras der Station Barbès, stimmt’s?«
Maréchal seufzte enttäuscht und schlug dann einen professionellen Ton an. »Richtig. Sobald ich die Bildfolge gesehen habe, wusste ich, dass sie in einer Phantomstation gedreht worden ist.«
»Eine Phantomstation?«
»Die wenigsten Leute wissen, dass das Pariser Metro-netz einige Haltestellen hat, die auf keinem Plan auftauchen«, erklärte Maréchal. »Es sind solche, die während des Zweiten Weltkriegs geschlossen und nie wieder eröffnet wurden. Wusstest du zum Beispiel, dass es direkt unter dem Champ de Mars eine Station gibt?«
»Nein«, sagte Constance.
»Nachdem ich mir dein Video mehrmals angesehen habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es sich um den stillgelegten Bahnsteig an der Porte des Lilas handelt.«
»Was meinst du mit ›stillgelegtem Bahnsteig‹?«
»Auf der Linie 11 gibt es an der Haltestelle Porte des Lilas einen Bahnsteig, der 1939 für den Verkehr geschlossen wurde. Da werden heute manchmal Zugfahrer ausgebildet oder neue Wagen getestet, vor allem aber werden dort Filme und Werbespots gedreht, die in der Pariser Metro spielen sollen.«
»Ist das dein Ernst?«
»Voll und ganz. Im Lauf der Zeit ist sogar ein regelrechtes Studio entstanden. Die Ausstatter brauchen nur das Dekor und den Namen der Station zu ändern, dann kann der Film an jedem Bahnsteig und zu jeder Zeit spielen. Dort hat Jeunet seine Szenen für Die fabelhafte Welt der Amélie und haben die Coen-Brüder ihren Beitrag für den Episodenfilm Paris, je t’aime gedreht.«
Constance spürte Erregung in sich aufsteigen. »Und du bist sicher, dass mein kleines Video auch dort gemacht worden ist?«
»Ganz sicher, denn ich habe es an den Verantwortlichen der Verkehrsbetriebe weitergeleitet, und der hat es mir bestätigt.«
Schnell, intelligent und effizient: Franck war vielleicht ein Schuft, aber ein hervorragender Bulle …
»Er erinnert sich übrigens genau an die Dreharbeiten, denn die haben erst letztes Wochenende stattgefunden«, erklärte Maréchal. »Man hat den Bahnsteig zwei Tage lang den Filmschülern des Conservatoire libre du cinéma français zur Verfügung gestellt.«
»Und hast du auch dort angerufen?«
»Natürlich. Ich weiß sogar, wer dein Video gedreht hat. Aber wenn du den Namen wissen willst, musst du mit mir zum Essen gehen.«
»Das ist Erpressung!«, erwiderte sie empört.
»So könnte man es nennen«, gab er zu. »Aber wenn man etwas wirklich will, sind alle Mittel erlaubt, stimmt’s?«
»Dann scher dich zum Teufel. Ich finde es auch
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