Sieben Jahre später
vergessen. Ich habe in Ihrem Computer die Kopie Ihres Kündigungsschreibens gefunden.«
Constance gab auf. Da ihre Kehle trocken war, nahm sie widerwillig das Glas Wasser an, das Nikki ihr reichte. Mit der freien Hand rieb sie sich die Augen und musste sich eingestehen, dass ihr die Situation völlig entglitten war.
»Wir brauchen Ihre Hilfe«, gestand Nikki.
»Meine Hilfe? Aber was erwarten Sie von mir? Dass ich Ihnen eine Möglichkeit gebe, das Land zu verlassen?«
»Nein«, entgegnete Sebastian, »dass Sie uns helfen, unsere Kinder wiederzufinden.«
Es dauerte über eine Stunde, bis Constance über die Ereignisse informiert war, die das Leben der beiden Amerikaner in den letzten Tagen völlig aus der Bahn geworfen hatten. Alle drei saßen am Küchentisch und hatten bereits zwei Kannen Grüntee getrunken und eine Packung Kekse gegessen.
Fasziniert von dem Bericht des Paares, hatte sich die Kommissarin die ganze Zeit über auf mehr als zehn Seiten Notizen gemacht.
Obwohl Sebastian ihren Fuß mit den Handschellen an den Stuhl gekettet hatte, spürte Constance doch, dass sich das Kräfteverhältnis zu ihren Gunsten veränderte. Die beiden Amerikaner waren nicht nur in eine Geschichte verwickelt, die sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter bringen konnte, sondern vor allem wegen des Verschwindens ihrer Zwillinge unendlich verzweifelt.
Als Nikki geendet hatte, atmete Constance tief durch. Die Geschichte der Larabees war vollkommen verrückt, ihre Verzweiflung jedoch deutlich spürbar. Sie massierte sich den Nacken und stellte fest, dass die Migräne abgeklungen, die Übelkeit verschwunden und ihr Körper wieder zu Kräften gekommen war. Die Magie der Ermittlungen …
»Wenn Sie wirklich wollen, dass ich etwas für Sie tue, müssen Sie mich zunächst losmachen!«, befahl sie. »Dann muss ich den Film von der Entführung Ihres Sohnes analysieren.«
Zögernd öffnete Sebastian die Handschellen. Inzwischen schaltete Nikki Constance’ Computer ein, rief ihren E-Mail-Account auf und speicherte den Film auf der Festplatte.
»Hier, das haben wir bekommen«, sagte sie und drückte auf die Starttaste.
Constance sah sich das Video ein erstes Mal an, dann ein zweites Mal, wobei sie die wichtigen Einzelbilder anhielt.
Nikki und Sebastian blickten nicht auf den Bildschirm, sondern auf das Gesicht der Frau, die ihre letzte Hoffnung verkörperte.
Konzentriert ließ Constance den Film noch einmal abspielen und erklärte dann überzeugt: »Das ist ein Fake!«
»Was soll das heißen?«, fragte Sebastian.
»Der Film ist ein Zusammenschnitt. Auf alle Fälle ist er nicht in der Station Barbès gedreht worden.«
»Aber …«, begann Nikki.
Constance hob die Hand, um sie zu unterbrechen. »In meiner Anfangszeit in Paris habe ich vier Jahre in der Rue Ambroise Paré gewohnt, genau gegenüber vom Krankenhaus Lariboisière. Mindestens zweimal am Tag habe ich die Metro an der Station Barbès-Rochechouart genommen.«
»Und?«
Sie drückte auf »Pause«, um das Bild anzuhalten.
»In Barbès gibt es zwei Linien, die Zwei, die an dieser Stelle oberirdisch, und die Vier, die unterirdisch verläuft.«
Während sie ihre Ausführungen fortsetzte, deutete sie mit ihrem Stift auf den Monitor.
»In dem Video handelt es sich ganz offensichtlich nicht um eine oberirdische Station. Es kann also nur die Linie 4 sein.«
»Stimmt«, meinte Sebastian.
»Die Linie 4 ist jedoch gekennzeichnet durch ihre Neigung und den geschwungenen Bahnsteig, was äußerst ungewöhnlich ist.«
»Das ist hier ganz eindeutig nicht der Fall«, sagte Nikki.
Sebastian beugte sich zu dem Bildschirm vor. Seine Exkursion nach Barbès und seine unglückselige Begegnung mit dem Schwarzhändler hatte er noch deutlich vor Augen, nicht aber die exakte Ausrichtung der Metrostation.
Constance öffnete ihr Mailprogramm.
»Es gibt nur einen sicheren Weg, herauszufinden, wo der Film gedreht wurde«, erklärte sie und begann, eine E-Mail zu schreiben.
Sie sagte, sie würde das Video an ihren Kollegen Kommissar Maréchal weiterschicken. Er leite die regionale Unterabteilung der Verkehrspolizei, die für das Metronetz zuständig sei.
»Franck Maréchal kennt die Pariser Metro wie seine Westentasche. Ich bin sicher, er weiß, um welche Station es sich handelt.«
»Vorsicht, keine krummen Touren«, warnte Sebastian und beugte sich über ihre Schulter. »Wir haben nichts mehr zu verlieren. Versuchen Sie nicht, uns auszutricksen … Schließlich wollten Sie uns vor drei
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