Sieben Jahre
Gästezimmer, oder du teilst dir mit mir das Ehebett. Sonja wurde verlegen, das hatte ich bei ihr noch nie erlebt, es hatte etwas Rührendes. Nach kurzem Zögern sagte sie, ich schlafe bei dir. Ich hab’s befürchtet, sagte Antje. Komm, ich zeige dir das Zimmer. Die beiden Frauen verschwanden. Ich blieb auf dem Balkon sitzen und schaute hinunter auf die Straße, von wo lautes Geschrei heraufdrang. Ein Lieferwagen stand mitten auf der Fahrbahn, der Fahrer eines Autos lehnte sich aus dem Fenster und beschimpfte den Chauffeur, der in aller Ruhe große Kartons ablud und auf dem Gehsteig aufstapelte.
Sonja lässt dir eine gute Nacht wünschen, sagte Antje, als sie zurückkam. Gibst du mir eine Zigarette? Ich fragte, ob die Bilder in der Wohnung von ihr seien. Etwas stimme nicht mit ihnen. Komm, sagte Antje und nahm ein paar hastige Züge und drückte die Zigarette aus. Sie ging mir voraus ins Wohnzimmer und machte Licht. Schau sie dir genau an. Wieder hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, aber es dauerte eine Weile, bis ich merkte, woran es lag. Die Tiere hatten Menschenaugen. Ich zeige dir die neuen, sagte Antje. Sie führte mich in ein großes Zimmer am Ende des Flurs. Der Parkettboden war mit großen Pappen abgedeckt, an den Wänden hingen einige dunkle Gemälde, aber im Zwielicht war kaum etwas darauf zu erkennen. Antje war durch den Raum gegangen und hatte sich gebückt. Eine Bauleuchte auf einem Stativ flammte auf, so hell, dass ich für einen Moment geblendet war. Dann sah ich die unheimlichen Wesen auf den Bildern, ein Mann mit einem Fischkopf und einem riesigen Glied, das er in beiden Händen hielt, ein Stier, der eine Kuh bestieg, beide mit Menschenköpfen, zwei Hunde mit menschlichen Genitalien, die sich gegenseitig leckten. Den Hintergrund der Gemälde bildeten perspektivisch gemalte Stadtlandschaften, heruntergekommene Plattenbauten, eine leere Fußgängerzone, ein graues Industriegebiet. Die Bilder waren in Öl gemalt, in dunklen Tönen und hatten etwas Altmeisterliches. Das mit den zwei Hunden war noch nicht fertig, der Hintergrund war erst mit Kohle auf die Grundierung skizziert. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Schön fand ich die Bilder nicht, sie waren noch beunruhigender als die kleinen in den anderen Räumen, aber sie hatten unbestreitbar etwas Kraftvolles, Irritierendes. Sie schienen mir nicht recht zu Antje zu passen, die im Gespräch eher oberflächlich gewirkt hatte, wie sie mit Sonja über Kleider und übers Ausgehen und über München und Marseille gesprochen hatte. Antje schien sich nicht für meine Meinung zu interessieren. Willkommen im Zoo, sagte sie mit spöttischem Gesichtsausdruck. Sie zog den Stecker der Lampe wieder heraus, und es wurde dunkel, aber es war eine andere Dunkelheit, jetzt, wo ich wusste, welch furchterregende Wesen sie verbarg. Wir gingen zurück auf den Balkon. Antje schenkte die Weingläser voll und musterte mich unverhohlen. Die Stille war mir unangenehm, ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Sie sind beunruhigend. Ja, sagte Antje. Es war keine Bestätigung, es klang eher aufmunternd, als erwarte sie, dass ich weiterrede. Ich kam mir vor wie bei einer Prüfung. Wie heißt der Maler, der den Garten der Lüste gemalt hat? Daran erinnert es mich. Bemüh dich nicht, sagte Antje. Sonja gefallen sie auch nicht. Vielleicht seid ihr einfach zu jung dafür und zu behütet. Sie fragte, mit welchem Tier ich mich identifiziere. Ich dachte nach, aber mir fiel keines ein, das zu mir passte. Ein Vogel?, schlug ich vor. Das sagen alle. Antje schüttelte den Kopf. Eine Gazelle. Das passt eher zu Sonja, sagte ich. Antje verzog den Mund. Nein, Sonja ist domestiziert. Ein Schaf oder ein Meerschweinchen, ja, ein Meerschweinchen. Ich lachte. Du bist nicht gerade nett. Ich bin am ehesten ein Hund, sagte Antje, ein streunender Hund, das ist auch nicht sehr schmeichelhaft. Ich fragte mich, welches Tier zu Iwona passte. Vielleicht auch ein Hund, dachte ich, aber Iwona war nicht domestiziert, unter ihrer stillen, duldsamen Art schien es etwas Wildes zu geben, eine Entschlossenheit, wie ich ihr noch selten bei einem Menschen begegnet war.
Und wie gefällt dir das Meerschweinchen?, fragte Antje. Wir haben zusammen studiert, sagte ich, und vielleicht machen wir zusammen bei einem Wettbewerb mit. Aber dir ist nicht entgangen, dass Sonja mehr von dir will? Ich schüttelte den Kopf. Sie hat keine Zeit für eine Beziehung. Das nimmst du ihr ab?, fragte Antje mit einem
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