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Sieben Jahre

Sieben Jahre

Titel: Sieben Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Stamm
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vielsagenden Lächeln. Ich glaube nicht, dass sie in mich verliebt ist. Ich auch nicht, sagte Antje, du darfst nicht zu viel von ihr verlangen.
    Wir tranken weiter und redeten. Es schien Antje Spaß zu machen, mich zu verunsichern. Ihr Freund wohne in München, sagte sie, und das sei ihr ganz recht. Sie ertrage es nicht, einen Mann immer um sich zu haben, es würde sie bei der Arbeit stören. Du willst bestimmt mal heiraten und eine Familie gründen, nicht wahr? Ich weiß nicht, sagte ich. Wenn du heiraten willst, dann ist Sonja die ideale Frau. Sie ist schön, intelligent, kultiviert, und sie ist ein guter Kumpel. Das genügt doch nicht, sagte ich. Ich glaube nicht, dass du für die große Liebe geschaffen bist, sagte Antje. Ich übrigens auch nicht.
    Sie habe sich nur einmal unsterblich verliebt, erzählte sie, mit zwanzig, in einen fünfzehn Jahre älteren Mann. Georg war Antjes Professor an der Kunsthochschule. Er lebte in Hamburg und kam nur alle paar Wochen nach München, um sich die Arbeiten seiner Studenten anzusehen. Er hatte eine Frau und vier Kinder, das hatte er Antje gleich gesagt. Am Anfang war ihre Beziehung wirklich nicht mehr als eine Affäre gewesen.
    Dann wurde ich immer mehr zu seiner Nebenfrau, sagte Antje, er nahm mich mit zu Ausstellungseröffnungen, stellte mich wichtigen Leuten vor und verhalf mir zu einer Galerie. Sie sei die Einzige an der Hochschule gewesen, die schon vor dem Abschluss eine Galerie gehabt habe. Sie habe sich gefallen in der Rolle der Geliebten eines bekannten Malers, und Georg habe sie gut behandelt, habe sie in teure Restaurants ausgeführt und ihr Geschenke gemacht.
    Nach dem Diplom fiel Antje in ein Loch, sie konnte nicht umgehen mit der neugewonnenen Freiheit und hatte keine Ideen mehr. Sie arbeitete wie eine Verrückte und kam doch nicht voran. Georg war für sie die letzte Verbindung zur Kunstszene. Wenn er in München war, lebte sie für ein paar Tage auf, zog mit ihm durch die Galerien und feierte die Nächte durch. Aber er hatte neue Studenten, junge Talente, die ihn mehr inspirierten als sie. Mit mir hat er nur noch gevögelt, sagte sie. Je mehr Georg sich von ihr abwandte, desto stärker hing sie an ihm. Mit ihrer Kunst kam sie nicht weiter, also widmete sie sich ganz der Eifersucht.
    Er hatte eine sehr talentierte Studentin, sagte Antje, ich glaube, er hatte gar nichts mit ihr, aber ich konnte nicht mehr klar denken. Ich habe ihn bei der Akademie abgepasst und bin ihm gefolgt, wenn er mit seiner Klasse etwas trinken ging. Ich habe mich an den Nachbartisch gesetzt, so dass er mich sehen konnte. Dann habe ich ihm endlos lange Briefe geschrieben, beschämende Briefe, ich hoffe nur, er hat sie weggeschmissen. Einmal war ich aggressiv, dann wieder unterwürfig, manchmal beides zur selben Zeit. Wenn er in Hamburg war, habe ich ihn zu Hause angerufen, bis er seine Nummer ändern ließ. Er hat mir gedroht, er werde mich fertigmachen. Ich war verrückt vor Liebe, ich kann es nicht anders beschreiben. Ich hatte sogar körperliche Symptome, Migräneanfälle, Bauchkrämpfe. Als ich einmal beobachtete, wie er mit jener Studentin zu einer Vernissage ging, habe ich die ganze Nacht gekotzt. Und habe um vier Uhr früh sein Hotel angerufen. Der Nachtportier hat mich natürlich nicht durchgestellt. Ich war sicher, dass Georg mit der anderen zusammen war. Es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass er vielleicht nur schlief.
    Jetzt kann ich darüber lachen, sagte Antje, aber damals war ich nahe daran durchzudrehen. Als es vorüber war, habe ich mir geschworen, mich nie wieder so zu verlieben. Und daran habe ich mich gehalten. Es sei eine minderwertige Form von Liebe, auch wenn die Romane das Gegenteil behaupteten. Wenn ein kultivierter Mensch sich wie ein Wahnsinniger benehme, sei das beschämend und ein Zeichen für mangelnde Reife. Sie schenkte die Gläser voll. Das sind Geschichten, die jeder gerne hört, aber wenn man selber in der Situation ist, wünscht man sich nur, dass sie zu Ende geht. Sie fragte, was ich an Sonja auszusetzen hätte? Nichts. Sie mag dich, sagte Antje. Als sie mich angerufen und mir erzählt hat, dass ihr kommt, hat sie mir von dir vorgeschwärmt. Ich habe sie gefragt, ob ihr zusammen seid. Sie hat nein gesagt, noch nicht.
    Ich trank mein Glas leer und sagte, ich sei müde, ich ginge ins Bett. Komm, sagte Antje und nahm meinen Arm. Ihre Stimme war ganz klar, aber an ihren Bewegungen merkte ich, dass sie betrunken war. Sie zeigte mir das Gästezimmer

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